Transite - Farben der Zeit (2)
Astrologie fand ich anfangs so attraktiv wie pfälzischen Saumagen – und ich war damals schon Vegetarier. Beschäftigt habe ich mich eigentlich nur damit, weil ich den theoretischen Ansatz unglaublich eindimensional empfand, die gesamte Menschheit in 12 Gruppen einzuteilen. Und ihnen dann auch noch nur sehr oberflächliche Charaktereigenschaften zu zuweisen. Oder schlimmer – ein festgelegtes Schicksal. Ich habe mich so über diese Anmaßung geärgert, dass ich eigentlich auf dem besten Wege war, eine Skeptiker-Karriere einzuschlagen. Ich besorgte mir dazu diverse Einstiegsliteratur und war überzeugt davon, dass ich nach spätestens einer Woche beweisen könnte, was für ein Unsinn das Ganze ist.
Dummerweise war einer der Buch-Autoren ein gewisser Thomas Ring und das was er schrieb, klang nun überhaupt nicht nach dem üblichen, astrologischen Mainstream-Unsinn. Im Gegenteil, ich hatte selten zuvor so detailreiche und inhaltlich nachvollziehbare Schilderungen bestimmter menschlicher Eigenschaften gelesen, in einer Zeit in der der Besuch beim Psychologen eher noch als Vorstufe für die drohende Einweisung in eine Nervenklinik galt.
Das war vor über 40 Jahren kurz nach meinem 16. Geburtstag. Damals musste man sich noch die Mühe machen, bestimmte astrologische Werke in besonderen Antiquariaten zu suchen. Und fand darin trotzdem meist wenig Erhellendes, aber umso mehr Verstörendes. Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen, aber manches war so grausam dumm, dass ich hin und wieder den Großteil der teuer erworbenen Literatur symbolisch in einem Kanonenofen verbrannt habe. Um irgendwie dieses klebrige Gedankengut wieder loszuwerden, diesen unerträglichen Mix aus vermeintlicher Sternenkunde, esoterischen Beliebigkeiten und absurden Mutmaßungen.
Mein Eindruck nach einigen Monaten der intensiven Recherche: das Leben war schon kompliziert genug, die Beschäftigung mit Astrologie machte es um keinen Deut leichter. Ich hätte es sicher auch dabei belassen, aber leider hatte ich mir autodidaktisch da schon das Berechnen von Horoskopen beigebracht und da mich manche Aussagen eben trotz allem überrascht hatten, berechnete ich in den Folgejahren alle möglichen Horoskope per Hand, um irgendwie doch noch Licht in den dunklen Kosmos der Astrologie zu bringen. Ich kaufte mir sogar ein Teleskop, und starrte dann nächtelang auf die Monde des Jupiters oder die Ringe des Saturn, in der Hoffnung, dass sich vielleicht so etwas mehr Einsicht und Verständnis übertragen würde.
Mit nur mäßigem Erfolg…
Mein Fazit nach ca. 8 Jahren war dementsprechend ziemlich ernüchternd: Warum sollte man bunte Horoskope erstellen, um heraus zu finden, welche Charaktereigenschaften die eigene Freundin hatte, wenn man das doch einfach jeden Tag live beobachten konnte? Warum sollte man die Welt in relativ eindimensionale Archetypen unterteilen, die in nichts der bunten Vielfalt und Großartigkeit dieser Welt gerecht wurden? Und warum sollte man astrologischen Prognosen über die Zukunft glauben, wenn die doch selten bis nie eintrafen? Alles berechtigte Fragen in dieser Zeit, aber etwas in mir konnte trotzdem nicht ganz davon lassen.
Dann kam ein kühler Herbsttag.
Ich hatte gerade wieder mal einen ausgiebigen Streit mit einigen meiner damaligen WG-Genossen (Landkommune…) über Küchenpläne und sonstiges gehabt. Und nur um mich zu beruhigen, fing ich an die aktuellen Planetenstände zu berechnen. Als ich nach einer Stunde damit fertig war, fiel mir eher zufällig auf, dass der Mond zum Zeitpunkt dieses Streits genau dort gestanden hatte, wo zum Zeitpunkt meiner Geburt Venus und Saturn zusammen eine sogenannte Konjunktion bildeten. Und genau meint auch genau. Ich hatte ja schon einiges über diese besondere Konstellation gelesen, Gutes und Schlechtes, und manches davon war durchaus zutreffend. So ganz allgemein gedacht.
Aber das nun ausgerechnet in einem Moment, wo ich mit anderen Menschen (Venus) eine heftige Grenzerfahrung machte (Saturn), der aktuelle Mond dort stand, machte mich dann etwas stutzig. Denn bisher deuteten ja all meine bisherigen Studien darauf hin, dass an dem ganzen Schicksalsgefasel absolut nichts dran war. Ein Zufall also vermutlich. Aber um ganz sicher zu sein, berechnete ich gleich mal den nächsten Zeitpunkt, an dem sich dieser Transit wiederholen würde und stellte natürlich fest, dass dies noch fast einen ganzen Monat dauern würde.
Und so kam es wie es kommen musste - ich vergaß das Ganze einfach wieder.
Die Wochen vergingen und irgendwann hatte ich wieder eine kleine Auseinandersetzung mit meinen Freunden. Diesmal ging es um eine Umstellung unserer Ernährung, die Frage war, ob wir unseren damaligen makrobiotischen Anspruch weiter aufrecht erhalten wollten, oder wieder in die Niederungen gewöhnlicher Bionahrung herabsteigen würden. Große Diskussionen, große Aufregung.
Als ich anschließend in meinem Zimmer noch nachtragend vor mich hingrummelte, fiel mir die alte Berechnung wieder ein. Und siehe da, Mond stand wiederum genau am selben Ort, dort wo sich meine Venus-Saturn Konjunktion befand.
Ich muss vielleicht erklärend hinzufügen, dass in diesen Tagen kaum jemand mit Transiten arbeitete. Alteingesessene Astrologen sprachen abschätzig von Transitologie und was es darüber zu lesen gab, war mehr dem Motto gewidmet: unseren täglichen Weltuntergang gib uns heute. Mir blieb also nicht viel übrig, als mühsam anzufangen, sämtliche möglichen Transite per Hand zu berechnen. Für mich und meine Mitbewohner. Und dann Tag für Tag zu beobachten und zu überprüfen, ob vielleicht nur ich auf dieses seltsame Zusammentreffen des Mondes mit symbolischen Punkten in meinem Geburtsbild reagierte, oder ob es da auch noch andere gab, die sich dementsprechend seltsam verhielten oder bestimmte Erfahrungen machten.
Um es abzukürzen – letzteres war der Fall. Meine Mitbewohner wussten nichts von meinem kleinen Feldversuch, sie lebten weiter frei und scheinbar unbestimmt von kosmischen Einflüssen ihr Leben. Aber ich bekam täglich neue „Beweise“ dafür, dass das astrologische Modell tatsächlich etwas abbildete, das im wahrsten Sinne „funktionierte wie ein Uhrwerk“. Denn auch bei meinen Mitbewohnern zeigte sich, dass Tief- und Höhepunkte im Leben hauptsächlich dann kumulierten, wenn es gleichzeitig bestimmte astrologische Transit-Auslösungen gab.
Damit war nun keinesfalls aus meiner Sicht schon ein Ursache-Wirkungs-Prinzip verbunden (also keine magischen Strahlen aus dem Universum, die Menschen zu irgendetwas zwingen würden), aber zumindest gab es diese auffallend hohe Übereinstimmung zwischen astrologisch bedeutsamen Konstellationen und besonderen Ereignissen im Leben. In welcher Form sich das dann zeigte, hing wiederum ganz entscheidend von der Grundanlage der betroffenen Personen ab.
Heute, 45 und 4 Loop!-Jahre später, weiß ich, dass Astrologie ein absolut geniales Messinstrument ist, um die Qualität der Zeit, bezogen auf jedes einzelne Lebewesen, darzustellen und zu erklären. Auslösungs- bzw. Transit-Zeiten sind die Momente und Phasen in unserem Leben, in denen sich Veränderungen besonders stark zeigen. Wenn alles gut geht und wir offen für sind für diese Veränderungen, dann hilft uns das dabei, nicht in statischen, lebensfeindlichen Konzepten stecken zu bleiben.
Falls nicht, können das auch die Zeiten und Phasen werden, in denen wir sehr harte Erfahrungen machen. Die uns zwar schlimmstenfalls auch nur die grundlegende Wahrheit über unsere Existenz vor Augen und Ohren führen, solange wir davon aber nichts wissen wollen, werden wir das anfangs vermutlich als unzumutbare Härte empfinden.
Warum um alles in der Welt sollte man sich dann mit diesen Transiten überhaupt beschäftigen?
Weil sie ein wunderbares und einzigartiges Instrument sind, um wieder ein natürliches Vertrauen in die grundlegende Weisheit unseres Seins zu entwickeln. Wir werden entdecken, dass es eine größere Ordnung hinter unseren selbstgemachten Ordnungs- und Kontroll-Systemen gibt, und dass diese Ordnung absolut unbestechlich und objektiv ist. Wir werden entdecken, dass die kosmischen Gesetzmäßigkeiten zuverlässig und gerecht sind und es deshalb auch immer einen Weg gibt, die ursprüngliche Weisheit, die ihnen zugrunde liegt, auch zu erfahren. Selbst inmitten von Phasen größter Verzweiflung, wenn Chaos unser Leben beherrscht.
Denn mit dem Wissen um diese wichtigen Lebensphasen, in denen Veränderungen unweigerlich statt finden werden, sind wir eben nicht mehr „einem unentrückbaren Schicksal ausgeliefert“. Natürlich wird uns dieses Wissen nicht vor der eigenen Endlichkeit bewahren können oder vor anderen, fundamentalen Prinzipien, die Leben ausmachen. Aber es wird sich auf jeden Fall ein größeres Maß an Handlungsspielraum ergeben, mehr Möglichkeiten, um die jeweiligen Themen angemessen ins eigene Leben zu lassen.
Ein Beispiel: Ohne dieses Wissen wird in der Regel ein Spannungs-Aspekt von Neptun (Transit-Planet) zu Mond oder Sonne (Radix-Faktoren) als große Verunsicherung erlebt. Schleichend entsteht eine Atmosphäre in unserem Leben, die wir weder erklären, noch auf Ursachen zurück führen können. Je nach Anlage kann sich dies dann körperlich als Krankheit zeigen, als psychische Belastung oder als geistige Orientierungslosigkeit. In vielen dieser Fälle besteht dann die „Lösung“ meist darin, entsprechende Medikamente bzw. Drogen (englisch: drugs = Medikamente und Drogen) oder Alkohol und andere Hilfsmittel zu sich zu nehmen. Womit die eine neptunische Erfahrung einfach durch eine andere ersetzt wird, was aber meist dem Gang „vom Regen in die Traufe“ gleicht. Gerade in solchen Phasen helfen oft subtilere Heilungsverfahren besser, als die Einnahme von harten Mitteln. Die sind eher bei Saturn-Auslösungen angesagt, ebenso wie bei einigen anderen Entsprechungen.
Neptunische Wandlungs-Phasen ermöglichen aber auch kraftvolle und weitreichend-spirituelle Erfahrungen, vor allem wenn man schon im zeitlichen Vorfeld eine entsprechende Weichenstellung vornimmt. Allerdings sind damit dann keine „netten esoterischen“ Kicks gemeint, sondern existenzielle Transformationen, die eine umfassende und über alle Grenzen hinaus gehende Perspektive entstehen lassen. Denn auch dieser Weg beinhaltet harte Bewährungsproben, und manche Zustände in dieser Entwicklung ähneln bestimmten Krankheitsbilder der unbewussten, neptunischen Verarbeitung und Einbindung.
Nur – wer ist schon bereit, sein Leben grundsätzlich zu ändern, bevor(!) äußere Umstände dies zwingend fordern? Nur auf die Aussage eines Astrologen hin, dass demnächst ein schwieriger Neptun- oder Pluto-Transit bevor stehen würde?
Wohl kaum jemand. Und ich sicher auch nicht, hätte ich nicht selbst seit vielen Jahren immer wieder die Erfahrung gemacht, dass das Prinzip der Transite genauso zuverlässig funktioniert und dementsprechend verlässlich ist, wie die Gesetzmäßigkeiten der Gravitation. Warum Schwerkraft so „funktioniert wie sie funktioniert“, weiß auch bis heute niemand genau, ebenso wenig, wie es eine Erklärung dafür gibt, warum Transite so genau bestimmte Kreuzungen und energetische Schnittpunkte auf unserem Lebensweg abbilden.
Und genauso wie wir trotzdem vor dem Hintergrund der Gesetze der Schwerkraft unser Leben planen und uns auf die dadurch entstehenden Bedingungen einstellen, genauso können wir über das Prinzip der zeitlichen Transit-Auslösungen des astrologischen Modells unser Leben planen und uns auf kommende Bedingungen einstellen.
Dabei geht es nur scheinbar in erster Linie um äußere Ereignisse oder konkrete Manifestationen, innerhalb bestimmter Lebensphasen und -höhepunkte. Viel bedeutender sind diese Informationen im Hinblick darauf, welche geistigen Entwicklungen, Höhepunkte und Turbulenzen uns erwarten. Denn wer einmal erlebt hat, dass Ängste tatsächlich verstärkt unter bestimmten „Transit-Bedingungen“ auftreten, während sie zu anderen, ruhigeren Zeiten fast völlig erlöschen, der wird in der Folgezeit die scheinbaren Ursachen solcher Ängste eher kritisch betrachten. Und sich mit seinen Ängsten direkter auseinander setzen, mit ihrem Wesen und ihren Eigenheiten, statt sich in einem meist vergeblichen Kampf gegen alle möglichen Entstehungsgründe aufzureiben.
Denn wenn unsere Ängste quasi aus sich selbst entstehen können, und es dafür einfach nur den richtigen Zeitpunkt braucht, dann ergibt sich fast automatisch die Notwendigkeit, mehr mit unserem Geist und all seinen Manifestationen direkt zu arbeiten. Und spätestens dann ist es gut und hilfreich zu wissen, wann sich denn aller Voraussicht nach das nächste Mal die Gelegenheit ergeben wird, mit diesen Ängsten praktisch und konkret zu arbeiten.
Oder – im positiven Sinne ausgedrückt: zu wissen, wann der beste Zeitpunkt für eine positive Handlung ist, ist mindestens genauso wichtig, wie eine genaue Kenntnis der äußeren Umstände, innerhalb derer wir dieses „Gute“ tun wollen. Kommt beides zusammen, wird sich auch der entsprechende Erfolg einstellen
(wird fortgesetzt...)
Bilder: Weight of the World - By Pete Sandbach from Manchester, UK (Weight of the world) [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons;
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