Welt im Sonnentransit-Horoskop
Neben 1001 neuen Methode, die zur Zeit wieder wie die Pilze aus dem Boden sprießen, gibt es in der Astrologie viele Techniken, die für Neulinge ganz neu und bei manchen alten Hasen zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Der 2010 verstorbene HANS-WERNER WOLTERS, einer der besten deutschsprachigen Prognostiker, Forscher-Seelen und Experimentatoren (unter anderem auch Erfinder des Design-Planeten VANILLA), hat sich immer wieder in der Tiefe mit diesen geprüften, fundierten Wegen der Astrologie beschäftigt.
2007 erklärte er in Hamburg einem breiteren Publikum das Sonnentransit-Horoskop neu, das mit besonderen Details wie bestimmtem Häuser-System als Prognose-Instrument hervorragend funktionieren soll. Loop! dokumentiert den Vortrag deshalb mit besonderem Vergnügen, als eine Anregung, sich bei Interesse selbst weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Da hier ein Experte zu Wort kommt, der wirklich weiß, wovon er spricht:
Die Entwicklung des Sonnentransit-Horoskops geht auf Albert Herriger zurück (1921-1988). Herriger entwickelte diese Prognosetechnik vermutlich zu Anfang der 60er Jahre als das GOH-Feldersystem nach Dr. Koch (Kochfelder) bekannt wurde. Ich selbst habe Material gesehen, dass bis tief in die 60er zurückreicht. Albert Herriger war Prognostiker und Gutachter und astrologischer Forscher. Seinen eigenen Angaben nach hatte er in den 50er Jahren seinen Tätigkeitsschwerpunkt mehr und mehr in die Astrologie verlagert, die dann in den 60er Jahren neben der Tatigkeit als Graphologe Broterwerb wurde. Seine Klienten waren hauptsächlich in der Industrie und in öffentlichen Ämtern angesiedelt, für die er offiziell als Graphologe tätig war. Als Prognostiker genoss er einen ausgezeichneten Ruf. Herriger war lange Jahre Beiratsvorsitzender des DAV. Er verließ den Verband Mitte der 80er in der Amtszeit Peter Niehenkes als DAV-Vorsitzender zusammen mit zahlreichen anderen geprüften Astrologen, als deutlich wurde, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hatte und der DAV zu etwas wurde, wofür er und die anderen, mit denen er gemeinsam austrat, nicht stehen wollten.
Ebenfalls auf Albert Herriger geht die “Methode 65“ zurück (1965 entwickelt). Bei der Methode
65 handelt es sich um ein sehr effizientes Verfahren, mit der hoch aussagefähige nahe radixäquivalente
Horoskope für Personen erstellt werden können, ohne dass für diese eine Geburtszeit bekannt ist oder berücksichtigt wird. Während er zum Sonnentransit-Horoskop viele Beispielhoroskope in den astrologischen Printmedien seiner Zeit veröffentlicht hat (überwiegend „Astrologischer Auskunftsbogen“) wurde meines Wissens über die „Methode 65“ nichts publiziert. Mir ist weiter nicht bekannt, ob es jemals eine Ausarbeitung gegeben hat, in der das hinter dem Sonnentransit-Horoskop stehende Modell jemals beschrieben worden wäre.
Albert Herriger sah sich stets als Praktiker. Er hatte eine herausragende Intuition und große Theorie war nicht sein Ding. So erklärte er auch mir die Treffsicherheit des STH an zahlreichen Horoskopbeispielen, die wir gemeinsam interpretierend betrachteten, technisch oder theoretisch aber erläutere er mir kaum mehr als die grundsätzliche Funktionsweise im Sinne von: „So wird es berechnet und so lange hat dieses Horoskop seine Gültigkeit.“
Der Ursprungsgedanke, so wie ihn Herriger formuliert hat: Jahr für Jahr überquert die Sonne die Radixorte der Gestirne. Bei jedem dieser Transite wird dadurch die in der Radix verankerte Aspektstruktur dieses Radixortes aktiviert. Wenn die aktuellen, mundanen Konstellationen dieses Sonnentransits in Relation zur Radix gebracht werden, dann ist daraus zu erkennen, welche Entwicklungs-und Ereignistendenzen bis zum nächsten Sonnentransit ihre Gültigkeit haben. Dabei ist folgendes zu beachten: Es wird nicht der genaue Zeitpunkt der Konjunktion der Sonne mit dem Radixort berechnet, sondern es wird der Tag ermittelt, in dessen Verlauf die Sonne diesen Radixort passieren wird.
Ist dies geschehen, wird aus der Ortszeit der Geburt und der Sternzeit des Transittages (aus der Ephemeride) die Sternzeit der Geburt ermittelt. Also genauso wie bei der Radix wird die Geburtsstunde und der Geburtsort für die Berechnung dieser Figur herangezogen. Das so aufgestellte Horoskop zeigt stets ein Winkel-Verhältnis Sonne – Medium Coeli, welches dem der Radix nahe kommt oder ihm entspricht. Die Abweichungen vom exakten Winkelverhältnis Sonne-Medium Coeli der Radix ergeben sich aus der über das Jahr leicht schwankenden Größe des Tagbogens der Sonne.
So durchlaufen Achsen und Felder innerhalb des Jahres also einmal komplett den ganzen Tierkreis. Gerade die Aspekte der langsam laufenden Gestirne-seien sie direktläufig, stationär oder rückläufig -fallen mal in dieses, mal in jenes Haus und geben damit konkrete Hinweise darauf, in welchen Lebensbereichen (Feldern) sich die mundanen Konstellationen auslösen, wann und wo die größten Resonanzen zur Radix entstehen. Zur Ausdeutung des Sonnentransit-Horoskops werden alle klassischen Aspekte herangezogen, auf Wunsch auch die Halbsummen, Goldener Schnitt, Fixsterne, usw.
Es wurde von Herriger im Zusammenspiel mit dem GOH-Feldersystem nach Dr. Koch entwickelt und sollte auch nur mit diesem verwendet werden. Neben den Aspekten kommen Teile der klassischen Determinationslehre Herr von – in) zur Anwendung, die – wie sich gezeigt hat – mit Placidus-Feldern bei der Anwendung des STH nicht reibungslos funktioniert und Fehler produziert. Ferner gelten: die Aspekte der transitierenden Gestirne zu den Felderspitzen der Radix, die Aspekte derselben zu den Felderspitzen des STH, sowie die Aspekte der Radixgestirne zu den Felderspitzen des STH. Als Orbis wird rund 1 Grad zugelassen, wobei bei applikativen Aspekten dies nicht ganz so kleinlich gesehen wird auf Grund des dynamischen Charakters des STH. Hier können auch bei den „großen“ Aspekten Konjunktion, Opposition, Quadrat und Trigon durchaus bis maximal 2 Grad angenommen werden, müssen dann aber schon deutlich schwächer bewertet werden. Es empfiehlt sich – sofern man solche Aspekte überhaupt verwenden möchte - solche nicht mehr ganz exakten Aspekte zu kennzeichnen mit dem Zusatz z.B. „In der Nähe eines Quadrates zur Spitze 3“ oder „Nahe einer Konjunktion mit Achse 5/11“ etc.. In den meisten Fällen wird deren Anwendung aber entbehrlich sein.
Ein Hinweis: Herriger betrachtete mit dem STH jeweils die Transite der Sonne über Radixgestirne. Den Transiten der Sonne über Felderspitzen und Achsen stand er skeptisch gegenüber. Ich habe nicht ein STH gesehen, was auf den Transit der Sonne über MC oder AC erstellt worden wäre. Mondknoten und Lilith können meines Erachtens hinzugenommen werden. Ich selbst verwende den wahren Mondknoten und das wahre Mond-Apogäum (Lilith).
Merksätze:
Sowohl die Verwendung von Aspekten auf die Felderspitzen als auch die Anwendung eines Teils der Determinationslehre (Herr von – in) verbieten sich in der Nutzung der Technik STH, wenn andere Federsysteme als das GOHS nach Koch verwendet werden. Dies genau deshalb, weil beides bei der Anwendung von anderen Feldern als denen des GOH-Systems zu Fehlprognosen führen wird. Außerdem halten wir fest, dass Albert Herriger dieses System basierend auf den Kochfeldern definiert und entwickelt hat und jedes andere Feldersystem an dieser Stelle bedeutet, dass man Dinge zusammen in einen Topf wirft, die nicht zusammen gehören.
Die Gültigkeitsdauer eines STH hängt davon ab, wie die Gestirne in der Radix verteilt sind. Ist zum Beispiel der Bereich von 20 Grad Wassermann bis 0 Grad Krebs nicht mit Planeten oder Lichtern besetzt, dann gilt der letzte Transit über den unmittelbar davor liegenden Radixbereich für mehr als 4 Monate! Liegen vom einen Planeten zum nächsten aber nur 20 Grad, dann erstreckt sich die Gültigkeitsdauer dieses STH auf weniger als drei Wochen.
Erstreckt sich ein Stellium mehrerer Gestirne über einen Bereich von zum Beispiel 5 Grad im Tierkreis, dann gilt der Transit über den ersten Faktoren als die erste Aktivierung des Stelliums, die so lange gültig ist, bis die Sonne den letzten Faktoren des Stelliums passiert hat. Dieser letzte Transit gilt dann bis zum Erreichen des nächsten Gestirns. Das Sonnentransithproskop nach Albert Herriger wird IMMER auf den Geburtsort berechnet.
Aus: "Progosetechnik für Astrologen" Vortrag/Workshop Hans-Werner Wolters, 17.11.2007, Hamburg
Bilder: Jan Breughel, Roland zh (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons, HWW privat
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