Großer Fleck auf gelber Weste
Was sich in den letzten beiden Oktober-Wochen auf der Sonne abspielte, war außergewöhnlich. Am 17. Oktober entstand ein Sonnenfleck mit dem unpoetischen Namen AR 2192, er wuchs und wuchs, bis er schließlich zu einem gigantischen Monster wurde. Und schließlich fing er an zu explodieren, Ausbrüche am laufenden Band in der Zeit zwischen dem 18. und 30. Oktober, sechs davon in der höchsten Kategorie der X-Klasse.
Aber wir hatten Glück im Unglück, keiner dieser Ausbrüche führte zu einem Koronalen Massenauswurf, die gefürchteten Plasmawinde, die unser Erd-Magnetfeld ins Schwanken bringen können, blieben aus. Warum, darüber rätseln die Wissenschaftler bis heute, und nach wie vor auch darüber, wie man in Zukunft die Entstehung solcher Giganten vorhersagen könnte. Dass die Stellung der Planeten dabei eine gewichtige Rolle spielen könnte, wird anscheinend bei solchen Überlegungen immer noch vernachlässigt.
Dabei hatte schon im März 1951 der amerikanische Ingenieur John H. Nelson einen Artikel veröffentlicht, in dem er die These aufstellte, dass bestimmte Planetenaspekte die Entstehung von Sonnenflecken und gesteigerter Aktivität begünstigen würden. Und im Resultat zu einer Störung im Kurzwellenbereich hier bei uns führen (LINK).
Er erstellte auf Grund seiner Berechnungen präzise Vorhersagen für seinen Arbeitgeber, die Radio Corporation of America (RCA), der daraufhin bei der Gefahr von Störungen, seinen Übersee-Funkverkehr auf andere Wellenbereiche auslagerte. Nelson war alles andere als ein Befürworter astrologischen Denkens, seine Überlegungen beruhten einzig und allein auf Beobachtungen, die er während seiner Arbeit als Ingenieur machte. Demnach würden Konjunktionen, Oppositionen und Quadrate zwischen den 7 klassischen Planeten zu erhöhter Sonnenaktivität führen, während Trigone und Sextile zu einer Abschwächung führen würden.
2004 überprüfte David Dalton in einem Artikel Nelson´s Theorie und stellte anhand seiner Beobachtungen einen Index auf. Zu seinem Erstaunen zeigte dieser „Nelson Index“ genau am 18. Oktober 2003 den höchsten Ausschlag im gesamten Jahr. Einen Tag später entstand ein riesiger Sonnenfleck namens AR 486, der in der Folgezeit zu einer Vielzahl an Ausbrüchen der X-Klasse führte.
Und auch dieses Mal zeigen sich wieder außergewöhnliche Konstellationen. Als AR 2192 am 17. Oktober zum ersten Mal in Erscheinung tritt, sieht der astrologische Himmel aus heliozentrischer Sicht noch relativ unspektakulär aus. Am Abend zuvor standen Merkur und Erde in Konjunktion, das passiert ca. alle 87 Tage einmal, ist also nichts wirklich Außergewöhnliches, zumindest wenn man diese Stellung statisch betrachtet (Liste mit den einzelnen Ereignissen).
Allerdings bahnte sich schon Größeres an, Mars stand noch ca. 7° von einer Opposition zu Jupiter entfernt, Venus und Erde wanderten in den nächsten Tagen zu beiden ins Quadrat. Ein großes Quadrat also, das an allen vier Ecken besetzt sein würde. Auch hier stellt sich natürlich als Erstes die Frage, wie häufig so etwas vorkommt.
Eine Opposition zwischen Mars und Jupiter findet heliozentrisch alle 2 ½ Jahre statt, eine gleichzeitige Opposition zwischen Venus und Erde, die dazu im Quadrat stand, konnte ich in den letzten 100 Jahren nicht finden. Häufig ist solch eine Ansammlung also anscheinend nicht.
Die weitere Entwicklung von AR 2192 folgt dann den schon bekannten und auch von Nelson beschriebenen Mustern. Die erste Eruption findet am 18. Oktober um 07:58 h (UT) statt (Bild 1). Es handelt sich nur um einen verhältnismäßig schwachen M 1.6 Ausbruch, der aber synchron zum Quadrat zwischen Merkur (1°36 Stier) und Mars (1°41 Wassermann) verläuft, ca. eine halbe Stunde später ist dieser Aspekt exakt! Am 24.10. um 21:40 h findet die stärkste Explosion statt (Bild 2). Jetzt ist die sich anbahnende Opposition zwischen Erde und Venus fast exakt geworden (Venus 1°10 Skorpion, Erde 1°24 Stier) und es gibt einen Ausbruch der Stärke X 3.1.
Am 26. bzw. 27. Oktober folgen zwei weitere X-Flares: Erde und Venus rücken immer weiter ins Quadrat zu Mars, der kurz vor der Opposition zu Jupiter steht. Das "Große Quadrat" ist jetzt an allen vier Ecken besetzt (Bild 3).
Am 30. Oktober schließlich endet das Feuerwerk vorläufig mit einem kleinen M 3.5 Ausbruch (Venus Quadrat Jupiter), am nächsten Tag sind fast alle aktiven Oppositionen und Quadrate überschritten und AR 2192 verschwindet hinter dem Sonnenhorizont (Bild 4, blauer Pfeil zeigt das Fehlen des Quadrats zwischen Mars und Venus als erstes Anzeichen der Auflösung).
Im Moment ist der größte Sonnenfleck seit 25 Jahren aus unserer Erdsicht auf der anderen Seite der Sonne aktiv, aber in ca. 12 Tagen wird er sich uns wieder zuwenden.
Titelbild: Credits@NASA,SOHO