Die Hölle sind immer die anderen
Eine kleine Exkursion in die bunte, aber harte Welt der Spiegelungen. Druck, Zug, Sog und Anspannung sitzen dem Zeitklima gerade wieder besonders locker: Heute um 15.26 h stehen ja die üblichen Verdächtigen im Themen-Kosmos von Sonne und Pluto wieder einmal überkreuz. Denn beide bilden eine Quadrat-Spannung. Und ab geht die Reise in alle (eigenen, aber gern an andere weiter verschenkten) emotionalen Konzepte und oft auch ins "ganz sichere innere Wissen" darüber, wie Strukturen, Hierarchien oder Organisation eigentlich entschiedener, richtiger und maßgeblicher umgesetzt werden müssten. Sowie, wer wo gerade mal wieder viel zu viel Kontrolle übernimmt (Steinbock-Pluto). Das schafft dann kurzfristig manchmal auch im Kleinen eine besonders massive Anspannung und handfeste Konflikte (Widder-Sonne), die man aber meist von irgendwoher kennt. Was einem nicht schmeckt. Denn dann kann man es nicht mehr projizieren.
Dieses Quadrat jetzt dient einerseits dem Abrieb überschüssiger Kraft, die man sonst nicht los wird. Und andererseits der Klärung dessen, was aus blindem Antrieb ein planbares Ziel machen könnte (Prinzip 1/10 oder Mars-Saturn), wenn man sich der persönlichen Anteile an den Macht-Problemen nur etwas besser bewusst wäre. Die Ursachen dafür werden aber nun leider unter solche Aspekten (mit Venus-, Pluto- oder Jupiter-Beteiligung, beleuchtet durch Sonne) automatischer als sonst auf irgendein Gegenüber projiziert. Gerade dann, wenn man Bezüge der akuten Konstellation zum Radix hat. Auch alte Ängste können noch mal stärker aufkommen oder ein Gefühl von Fesselung, das auch beschrieben wird, als würde man in einer Kiste festsitzen, deren Deckel jemand oder etwas anderer/s mit aller Kraft festhält.
Noch mehr plutonische Bilder begegnen einem oft in Träumen - wenn man fliehen will und die Füße nicht von der Stelle bekommt. Als würde man im Sog eines Sumpfs am Boden kleben. Dazu kommt durch die Zeichen jetzt noch ein Hang zur "Entzündung" und zur Unterdrückung von Vitalität, für die all die innere Hitze ja ein Symbol sein kann. Wenn's besser läuft, mäßigt der saturnische Pluto die maßlose aktuelle Sonne, bis sie lebendig und initiierend, aber nicht mehr so wütend wirkt. Läuft's schlecht, entstehen lauter lästige Fehlzündungen. Das ist bei Quadraten häufiger.
Die Konzentration auf solche oder ähnliche Beklemmungen kennen Plutonier an sich schon besonders gut. Wie auch diejenigen, die gerade Transite vom Pluto erleben. Als Mittler zwischen Krebs/Mond und Fische/Neptun ist der Skorpion/Pluto ja auch generell schon der König der stehenden Gewässer des Seelischen. Alles Alte, Ererbte, Unfertige, was seelisch bearbeitet werden muss und noch festsitzt, wird sich in seinen Themen bemerkbar machen. Da hilft auch kein Konzept, wie es ist oder besser sein sollte (Pluto selbst), nicht Flucht (Neptun) und erst recht nicht das demonstrativ ausgelebte Empfinden (Mond) der tragischen Leidenden. Pluto heißt einfach: Du musst da durch. Empfinde dich da durch! Zur Not ganz allein - damit die Gefühle irgendwann wieder ins Fließen kommen. Erst dann entsteht grundlegende Wandlung, die noch ausstand.
Auch und gerade bei Sonne-Pluto geht es darunter eigentlich um ein hilfreiches archetypisches Muster. Und nicht allein um den verbissenen Versuch, am liebsten eigene Lösungs-Impulse und Energien (Widder) durchzusetzen. Oder - umgekehrt - tiefe und wichtige emotionale Leitbilder von außen angegriffen zu sehen. Wobei man selbst deren Durchsetzung vermeidet. Gerade dann fällt mir oft am deutlichsten auf, was die anderen an meiner Unfreiheit gerade mal wieder verschulden. Einer, der das gut kannte, war Jean-Paul Sarte, der selbst einen etwas weiteren Sonne-Pluto-Aspekt hatte - allerdings die Konjunktion in 7. "Die Hölle sind immer die anderen" meinte er, weil er offenbar das emotional bedingte und bedingende Prinzip (Pluto kommt ja aus dem fixen Wasser-Element) des Abspiegelns von Macht- und Ohnmachtsgefühlen auch bei sich selbst erlebte.
Wo Pluto ist, dreht der emotionale Fokus leicht hohl - und schiebt einen immer auch mindestens eine weitere Runde im Kreis herum: Im Zentrum stehen sehr alte Ohnmachts-Gefühle, die später mitgeschleppt und auch immer mal wieder in einer Art chronischem Macht-Ritual ausgeleitet werden. Als würde man sich als Erwachsener wieder und wieder bestätigen: Nein, diesmal nicht! Ich kann "das" doch kontrollieren! Wobei "das" vielfach ein irgendwann früh erlebter Punkt absolut fehlender Kontrolle ist, den man früher noch gar nicht verarbeiten konnte. Bei gleichzeitigem Vorbild von Machtausübung durch andere, deren Rolle man nun auch selbst einnimmt, in anderen Beziehungen. Unglücklicherweise oft überzogen. Auch ein Lösungs-Versuch, aus alten Schmerzen herauszukomme.
Natürlich fällt einem da gleich das kindliche Selbst ein, das sich den allmächtigen Eltern irgendwann immer einmal ausgeliefert gefühlt haben muss. So etwas sitzt oft ziemlich tief. Es geht manchmal bis zum Trauma, aber - und das ist sehr wichtig - wirklich nicht immer. Macht-Ohnmacht-Erfahrungen sind im Leben üblich. Viel zu oft werden sie nur noch pathologisiert. Das ist dann in sich auch ein Tel plutonischer Extreme.
Der Pluto-Weg im Horoskop beschreibt aber nicht nur Erlebnisse der Selbst-Aufgabe oder äußeren Zwangs bis hin zu zerstörerischen seelischen Erfahrungen. Sondern erfreulicherweise auch, wie man herauswachsen kann aus der destruktiven, passiven Seite des "Kaputtgehens". Er selbst liefert alle Kraft dazu. Ist Gift und Heilung zugleich. Ein am Problempunkt verharrender Pluto ist selten geistig oder nur faktisch zu lösen. Er führt auf andere Pfade - hinein in eine Selbst-Ermächtigung, die man sich erleben muss. Und die einen verantwortungsvollen Umgang mit der Möglichkeit umfasst, Dinge, Situationen und Gefüge emotional besetzen und bestimmen zu können. Darum ist Saturn auch einer der besten Freunde Plutos. Er schenkt Disziplin, aus dem seelischen Druck zur Erlösung einen Plan zu machen, ein tragfähiges Ergebnis, das einen aus Macht-Konstellationen herausführt, die man sonst wechselweise von der aktiven oder passiven Position aus erlebt. Beide spiegeln bis dahin noch mantrahaft denselben unfertigen Umgang. Beide sind sie aber nützlich, um stärker an die Substanz der früheren Verletzungen und späteren Lösungen zu kommen, auch wenn die Umwege manchmal erschöpfend wirken. Zuerst bearbeiten wir am liebsten unsere Probleme in anderen. Das ist eine der unterliegenden Strukturen und Ticks bis Tricks des 8. Prinzips.
"Wenn die Macht der Liebe über die Liebe zur Macht siegt, wird die Welt Frieden finden." (Jimi Hendrix, Sonne-Pluto-Trigon)
Soweit das mögliche Ergebnis, vor dem Wegräumen des 1001. Steins auf der Straße zur Selbstverantwortung, die man am anderen am besten lernt. Sowohl, was eigene, als auch fremde Grenzen angeht. Ein Zitat ist das, wie aus den tiefsten Tiefen des 3. Quadranten. Was am Pluto und seinen Bewältigungen die Menschen vielleicht so beängstigt und von sich weg treibt, hin zum anderen und ihrer Be-Schuldigung, ist eine Tendenz des Menschlichen (nicht des Plutonischen selbst), aus Macht irgendwann Gewalt oder Über-wältigung entstehen zu lassen. Viele haben es einfach früher so erlebt. Aber Pluto schenkt eben allein auch diese fast überirdische Kraft der reifen Emotion, aus Asche irgendwann den Phönix aufsteigen zu lassen. Auch das kann wieder unheimlich und überfordernd wirken. Nur spielt es sich letztlich in einer absichernden Kette der planetaren Entwicklung in der Folge des Zodiak ab: Venus-Pluto-Jupiter hängen am Ende immer zusammen, weil sie zusammen gehören in Aufbau und Funktion. Je nachdem, wie man in ihren Prozess hinein geht, wird man auch wieder herauskommen. Sie beschreiben die Lernfähigkeit am Du, das Potenzial, an der Begegnung zu wachsen, weil das andere einem die eigene Relativität einprägt und so auch Demut lehrt. Wenn man an der Stelle die "Höllen" der Selbsterkenntnis nicht fürchtet, die wie ein nur scheinbar unabwendbarer Imprint manchmal mit plutonischer Erfahrung einhergehen, wird es richtig spannend.
Interessant ist in dem Zusammenhang, dass die Worte "Hölle" und "Helligkeit" dieselbe Herleitung haben. Das ursprüngliche Wort "hel" bedeutet eigentlich laut, schrill, licht, später auch: intelligent. "Die ist helle!". Darin findet sich also auch wieder die zerstörerische bis tiefgehend wandelnde, aufbauende Doppelnatur eigentlich aller Zeichen-Themen des 3. Quadranten, der uns immer über irgendeine Form der Begegnung zur Vollständigkeit bringt. Luzifer, der Lichtbringer. Da wird also zunächst gespiegelt und dann konfrontiert. Oder: Zum Teil gehört immer ein Gegen-Teil. Erst zusammen machen sie das Ganze. Eine Botschaft von Venus bis Jupiter, mit ihrem Pfad, der am Ende aus dem heftig kosmetisierten Zwiespalt der 7. Phase mit ihren Streitigkeiten um Harmonien über die 8. Station der seelischen Dunkelheit und des inneren Reichtums doch zur 9. Stufe, Schützes ewigem, wild verteidigten Licht führt. Ich und Du, wir spiegeln uns. Wir kommen auch darum zusammen - als Höllen- oder Himmelsbewohner. Beides ist gleich wertvoll.
So ist eben nicht nur der viel gemobbte Skorpion-Herr, den wir ja alle irgendwo im Chart haben (weshalb es dumm wäre, ihn weltanschaulich aus unserem Umkreis zu mobben) der Bösewicht. Sondern auch die beiden anderen Herrscher-Planeten der Zeichen des Du-Quadranten weisen eine massive Tendenz zur Delegation an die Außenwelt auf. Selbst Venus packt gern anderen genau das in den Rucksack, was sie an sich nicht sehen möchte. Nur etwas eleganter als Jupiter und Pluto. Warum? Weil alle drei es können. Weil sie dazu gemacht sind. Weil es leichter ist, am Spiegel des Du seine eigenen, tiefgehenden Probleme testweise erst mal abzuhängen - wie an einer Garderobe im Flur unseres unmittelbaren Umraums. Dann irgendwann, wenn man mutig genug ist und die Wegweiser im Gegenüber deuten kann, sieht man in seinem Spiegel endlich auch sein eigenes Gesicht. Dann kommt man in sich an, um ver-bindlich mit dem Anderen zu werden. Das ist die 8. Phase des Zodiak.
Das, was die anderen angeblich allein so sehr betrifft, kann nur eine Saite in mir zum Schwingen bringen, die ich in mir habe. Liebe, Feindschaft, Macht, Ohnmacht, Vision, Blindheit. Man muss nur danach suchen - dann werden die Planeten des 3. Quadranten (an sich und auch die besonderen, die jeder speziell im Radix hat) mit ihren abgespaltenen Inhalten eine tolle Landkarte dessen, was ich an mir lange nicht sehen wollte oder konnte. Eine andere Form von: Der eine trage des anderen Last. Denn so erkenne ich meine.
Darin sind wir alle Lehrer und Lernende der Verbindung, die wir selbst noch in den schwierigsten Momenten der Beziehung miteinander haben. Nie umsonst bindet man sich bei Beteiligung des Begegnungsquadraten an genau das, was das eigene Problem und die eigene Freude, Begabung, Erfahrungsbreite spiegelt. Wir begegnen, wir zerstören, wir verstehen endlich.
Beim Pluto, dessen tiefgehende Umwälzungen und Schübe von zwanghafter Fixierung im Destruktiven vielleicht am wenigsten leicht zu nehmen sind, zeigt sich das Spiegelprinzip deutlich. Einfach, weil seine Ausdrucksformen so schmerzen können. Darum wird er sogar in der astrologischen Deutung häufig als "nur zerstörerisch" abgespalten. Das trfft den Kern allerdings überhaupt nicht. Denn Pluto bezeichnet ja auch die tiefstmögliche seelische Ver-Wandlung. Selten begegnen wir uns selbst einfach so, freudig. Gehen ungern zurück - den derart schwierigen Weg zu unseren Verletzungen, wenn wir nicht vorher motiviert wurden. Dann kommt der Druck. Der Schmerz soll weg. Bei Pluto heißt die ex negativo Motivation oft: Ich will nicht vernichtet werden, indem ich wieder und wieder Ohnmacht erlebe - weil sie mir irgendwann so lebensbedrohlich vorkam. Auch wenn ich jetzt größer bin. Immer noch empfinde ich am Pluto-Punkt wie ein Kind und weiß um die Notwendigkeit, mich selbst neu zu gebären. In meine Kraft und Macht und Kontrolle und den Reichtum, den meine Seele empfinden kann, wenn ich mich frei fühle, ich selbst zu sein - ohne andere zu drücken, zwingen und mich ihrer zu bemächtigen.
"Unsere tiefste Angst ist die, dass wir über die Maßen machtvoll sind. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, das uns am meisten erschreckt." (Marianne Williamson, Mond in 8)
Zum heilsamen Pluto (den man immer auch bewusst wählen kann, wenn man selbst sich als aktiven Faktor sieht) gehört ein Umgang mit der Macht, der wandelt, aber nicht erschüttert. Wer feststellt, dass trotzdem weiter die anderen die Hölle bleiben, hat vielleicht einen wichtigen Punkt auf seiner skorpionischen Agenda noch gar nicht entdeckt oder übersprungen. Dann kann man sich entweder sein Radix mit dem Zeichen des 8. Feldes und dessen Bewohnern, den Plutostand und das von Skorpion angeschnittene Feld noch mal genauer ansehen. Hier sitzen die Ohmachtserfahrungen von damals, die Gegenwart prägen, weil sie in die Ermächtigung wollen. Hier sind wir auch besonders talentiert zur Macht. Oder man nimmt die Abkürzung und begutachtet gründlich die wiederkehrenden, klebenden Probleme, die durch alle Beziehungen hinweg gleich geblieben sind. Da entdecken wir sie auch, die Stellen, an denen es damals wehtat. Da findet Projektion immer wieder statt. Und, wenn alles gut geht, später ein erster bewusster Schritt auf die Treppen, die uns von Fische über Skorpion in den Krebs, zum Mond zurückführen. Von der Verlorenheit in die subjektive Empfindung allen Seins. Als einzige Sicherheit, die wir in der verrückten Welt haben. Ich fühle, ohne es zu rechtfertigen oder ausleben zu müssen. Ich bin, die ich bin.
Das Sonne-Pluto-Quadrat von heute in Feuer-Erde macht einem diese Lektion aber gar nicht so leicht. Die nicht zueinander passenden, sich oberflächlich behindernden Elemente der Quadrate entziehen sich stark einem etwas schärferen Draufblick. Quadrate wirken immer, als käme etwas um die Ecke, was man vorher nicht gesehen hat. Man verweigert sich unter ihrem Einfluss auch ganz gern dem tieferen Sinn, den sie mitbringen können. Aber gerade Widder/Steinbock, die Spannung, die jetzt aktiviert ist, hat ein Trostpflaster. Mars steht ja nicht umsonst in der Astrologie im Steinbock erhöht, was heißt: Jede marsische Energie braucht einen begrenzenden Saturn, um in ihre volle, bereichernde Wirkung zu kommen. Sonst verpufft das Widderhafte sehr leicht, weil es eben noch gar kein Ziel kennt, sondern nur einen Impuls und eine einzige Richtung: Nach vorn. Egal, welcher Kopf dann rollt, wenn man mit ihm durch die Wand will. Jede Dämpfung, jede Blockade, jede Einengung, da kann man sicher sein, macht also heute Sinn. Es ist manchmal schwer, das auszuhalten. Aber schön zu wissen, dass man damit nicht allein ist.
Bild: Hieronymus Bosch, Hölle, Ausschnitt aus dem Garten der Lüste + Pas de deux, Arthur Rackham