Saturn-Neptun: Türen aus Rauch
Die letzten Tage der Ära Schlecker
Das Drama der unpersönlichen Planeten in der Astrologie ist ja, dass man sie oft erst ernstnimmt, wenn sie in Bezug zu privateren Faktoren stehen. "Nur ein Generations-Aspekt" heißt es häufig, falls zwei Langsamläufer sich in einem Chart begegnen. Zum Beispiel Saturn und Neptun. Konkurs, schwache Rechts-Positionen oder Paranoia werden dem Aspekt nachgesagt.
Dass selbst dieser Nur-ein-Generations-Aspekt aber augenfällige Folgen haben kann, zeigt sich an einem Imperium, das bald keins mehr ist. Name: Schlecker, Alter: 37 Jahre, Status: in Insolvenz. Falls bis Mittwoch keine Staats-Bürgschaft vorliegt, wird an 11 000 Mitarbeiter die Kündigung verschickt.
Saturn-Neptun heisst in der Münchner Rhythmenlehre auch "Türen aus Rauch", weil der Aspekt Materie mit dem Namenlosen verbindet und dabei einfach die dazu notwendige Erfahrung überspringt. Die beteiligten Planeten stehen ja für die erste und letzte Station des vierten Schicksals-Quadranten. Steinbock (das Irdische) und Fische (das Himmlische) sind aneinander gekettet. Was dazwischen fehlt, ist Wassermann. Uranus. Das unmittelbare Erleben. Insofern schafft Saturn-Neptun immer "imaginäre Spielwiesen" oder Versteinerungen.
Anton Schlecker, der Drogerie-König, hat diesen Aspekt. Ausgerechnet bei der Saturn-Rückkehr 1975 (als sein Konkurs-Quadrat getriggert wurde) gründete er die erste imaginäre Spielwiese. Einen kleinen Laden in Ehingen, im "Ländle", aus dem später ein Imperium wurde, das er knallhart verregelte. Ohne links oder rechts zu schauen. Nichts passt besser zu dem Aspekt. Die Bestimmung des Eigentlichen. Durch Saturn-Neptun leuchtete aber ein Konkurs gerade deshalb beim Start schon als Schluss-Option.
Nun, wo Uranus in genauer Opposition zum Neptun steht, geht es um alles. Schlecker, in seiner unter Ausschluß von Flexibilität gebastelten, versteinerten Gegenwelt, spielt nicht mehr. Weit vorher hätte er radikale Änderungen (vor allem in sich) einführen müssen, um dem Bankrott-Aspekt Uranus (als unmittelbare Erfahrung, die Spannung ableitet) zwischenzuschalten. Wer das nicht tut, dem löst Neptun die Bestimmungs-Attitüde schleichend auf. Dann kommt der nötige Uranus eben wie Kai aus der Kiste. Durch eine andere Wassermann-Analogie: Kündigungen.
Genau genommen hätte Schlecker sich schon vor 20 Jahren von seinem Alleinherrschafts-Anspruch verabschieden müssen. Es gab eine gute Gelegenheit, als damals schon einmal Uranus im Aspekt zu Saturn-Neptun stand. Davor Saturn, danach Neptun selbst. Aber Schlecker konnte nicht abgeben. Erst als es zu spät war, ließ er seine Kinder an die Macht. Denn der Drogerie-König hat eine starke Anlage zu kompensatorischem Ehrgeiz (Mars-Pluto). Das schützt seinen unangepassten, extrem empfindlichen Fische-Mond, dessen Flucht-Impulse durch die Skorpion-Anteile kompensiert werden.
Es mutet fast unheimlich an, wie das aktuelle Zeit-Signum der Rezeption zwischen Mars und Merkur sich durch eine andere Rezeption in Anton Schleckers Chart widerspiegelt: Er hat Sonne und Mars/Merkur im Quadrat zu Pluto - ebenfalls in Rezeption zueinander. Einen Hang zu Fanatismus also, Denkkäfige auf dem Boden einer schwierigen Kindheit. Die Eltern waren Metzger. Das lernte er auch. Immer ging es bei allem gleich um Leben und Tod. Dinge entwickeln sich unter solcher Veranlagung oft sofort viel zu existenziell.
Mit seinen geschäftlichen Entscheidungen bewies der Drogerie-König ein echtes Händchen für die Notwendigkeiten seinen Radix-Horoskops. Und wie so viele Menschen wählte er immer die Variante, zu der es ihn in der Anlage-Tendenz zog: Unter Uranus im Quadrat zu seinem Pluto impfte er das Land mit Schlecker-Flilialen. Unter Pluto-Uranus mundan, jetzt, haben 2200 dieser Drogerie-Märkte am Samstag zum letzten Mal die Kassen klingeln lassen. Das homöopathische Prinzip: Im Gift ist die Heilung bereits enthalten. Aber auch in der Heilung das fraktale Prinzip des möglichen Gifts.
Das Zeitklima ist überhaupt momentan überaus günstig für Insolvenzen: Neptun steht kurz vorm sogenannten Konkursgrad auf 2,5 Grad Fische, Saturn gegenüber von dessen Spiegelpunkt auf 27,5 Widder. Schleckers "Inseldasein" wird auch durch Neptun im anlaufenden Quadrat zu seiner Venus zersetzt, die wiederum seinen Radix-Neptun beherrscht. Sein altes Empfinden der "verquälten Eigenart" (Döbereiner) verstärkt sich vermutlich gerade massiv. Das ist bitter, aber der erste Schritt zu einer wirklichen Lösung.
Nie durfte er seine eigenen seelischen Anlagen leben. Wenn er es tat, muss er sich schuldig gefühlt haben. Auch dafür spricht dieser Saturn-Neptun. Dass er den "Versteinerungs-Aspekt" bei allem krampfhaften Bemühen um Erfolg bisher nicht lösen konnte, ist sicher. Zumindest seinem Sohn Lars (*1971), der unter dem großen Vater lange nicht hochkam, hat er die Konstellation vererbt. Als Retter des Imperiums war der deshalb auch denkbar ungeeignet. Auch er hat vermutlich nicht gelernt, anders mit seiner Anlage umzugehen.
Alternativen wären machbar
Die eher praktischeren Effekte des etwas abstrakten Unterbodens Saturn-Neptun zeigen sich übrigens oft durch Merkur-Mars (Stichwort Rückseitendeutung von Wolfgang Döbereiner). Auch diesen Aspekt hat Anton Schlecker im Radix exakt. Das macht ihn zum besten Katalysator jener Generations-Konstellation. Vor allem, da dieser Apekt auch mundan aktuell als Dauerbrenner auftaucht. Was wie Schicksal scheint, ist allerdings für Menschen mit direkten oder indirekten Saturn-Neptun-Aspekten (auch über Häuser) nie alternativlos.
Für sie geht es darum, bei allem was sie tun, darauf zu achten, wann Dinge schiefzulaufen beginnen. Dann wird es Zeit, das Wassermann-, 11. Haus- oder Uranus-Prinzip im Auge zu behalten und vor allem in die Welt zu bringen. Damit zwischen Steinbock und Fische, Saturn und Neptun kein Bruch bleibt. Sondern die Stufe eingeschaltet wird, die fehlt: Altruismus, Objektivität, das Prinzip von mitmenschlichem Ausgleich gesellschaftlicher Gegensätze. Eben das hat Schlecker nicht getan, der für seine Kontrollsucht gegenüber Mitarbeitern berüchtigt war. Aber solche Wandlungen sind für Saturn-Neptuniker sehr schwierig, weil sie gegen jede ihrer natürlichen Tendenzen sprechen, sich kleine, trügerische Reiche zu schaffen.
Aber es lohnt sich. Uranus fordert so oder so ein "Opfer". Beim unbewussten Blockieren bestimmter Planeten-Inhalte brechen sie eben von hinten durch. Entweder, man bemüht sich bewusst um einen Bruch mit alten Verhaltens- oder Empfindungs-Gewohnheiten. Oder die Langsamläufer zeigen sich in ihrer ganzen Negativ-Energie. Wie der Wassermann-Herr. Plötzlich, rasant. Durch große Ereignisse, die Revolten, Rebellentum, Trennungen, aber vor allem ein unmittelbar zugelassenes Erleben bewirken. Warum dann nicht gleich steuern? Das ist allemal angenehmer, als vom Schicksal einfach überrollt zu werden. Für Anton Schlecker kommt eine solche Idee allerdings ein paar Jahre zu spät.
Foto (bearbeitet): Nicor (Own work) via Wikimedia Commons