Von Trollen und Sockenpuppen
Wer jetzt einen astrologischen Ausflug ins Reich von Mordor und Mittelerde erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Zwar würde sich das astrologische Grundthema, die am 5.November exakt gewordene heliozentrische Opposition zwischen Jupiter und Neptun, auch dafür bestens eignen, aber es gibt genügend „Fantasy- und Horror-Elemente“ im richtigen Leben unter diesem Aspekt, die es wert sind, einmal näher betrachtet zu werden.
Denn der gemeine Troll tummelt sich heutzutage nicht mehr nur in mystischen Landschaften, sondern hauptsächlich in den virtuellen Netzwerken unserer Zeit. Man findet ihn (oder sie) aber auch in Foren oder als eifrige Kommentatoren, vor allem zu ganz bestimmten Zeitgeist-Themen. Beliebt war zuletzt die Flüchtlings-Krise oder der „Asyl-Tsunami“, der sich bis gestern am Horizont auftürmte und damit drohte, unser gesamtes Land samt aller kulturellen und sozialen Errungenschaften, in die Steinzeit zurück zu spülen. Und nun, scheinbar plötzlich und zufällig, wieder in ein geregeltes „Flussbett“ umgeleitet wird, dank der gestrigen Einigung unserer gewählten Regierungsvertreter.
Mal ganz unabhängig von Trollen und anderen Betrügern – wer seit jetzt immer noch glaubt, dass „die Sterne zwar irgendwie geneigt machen“, aber mit den großen Entwicklungen und Zeitgeist-Themen wenig zu tun haben, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.
Gut, die meisten Menschen, die mit Astrologie arbeiten, beziehen sich dabei hauptsächlich auf einen psychologischen Deutungshintergrund. Und da spielt das heliozentrische Weltbild wenn überhaupt, nur eine sehr unbedeutende Rolle. Betrachtet man Astrologie aber eher als einen symbolischen Ausdruck des aktuellen Zeitgeist, dann bleibt einem über kurz oder lang nichts anderes übrig, als auch relativ exotische (weil „nicht-klassische“) Methoden mit einzubeziehen, wenn sie sich als hilfreich und relevant erweisen. Und hier steht die Erforschung des heliozentrischen Horoskops an oberster Stelle, denn genau genommen zeigt es die „wahre“ Perspektive auf, bildet die Verhältnisse in unserem Sonnensystem so ab, wie sie objektiv betrachtet „wirklich“ sind. Das geozentrische Bild wiederum hat die absolute Deutungshoheit, wenn es darum geht, wie sich diese objektive Wirklichkeit, subjektiv auf unserem kleinen, blauen Planeten zeigt.
Subjektiv gesehen war die Opposition zwischen Jupiter und Neptun schon am 17. September exakt. Also knapp zehn Tage nachdem Angela Merkel aufgrund der Notlage in Ungarn das Signal gab, die Flüchtlinge könnten direkt über Österreich nach Deutschland gebracht werden. Vermutlich auch unter dem Eindruck des Bildes von Aylan Kurdi, dem kleinen syrischen Jungen, der tot an einen türkischen Strand gespült wurde und den Todesopfern in Österreich in einem „Schlepper-LKW“. Das war der symbolische Auftakt, die konkrete Erscheinungsform des Jupiter-Neptun-Themas hier bei uns.
Die eigentliche, energetische Dynamik war aber noch lange nicht vorbei, denn aus heliozentrischer Sicht standen Mitte September Jupiter und Saturn im Quadrat zueinander, bahnte sich also schon die Schwierigkeit im Umgang mit den Flüchtlingen an. Dass sich das aber alles dermaßen hochschaukeln konnte, zu einer ausgewachsenen Regierungskrise wurde und das Land in zwei Lager teilte, darf man getrost der Dynamik der Opposition zwischen Helio-Jupiter und Helio-Neptun zuschreiben.
Vor allem da nun diese Krise ausgerechnet am Tag der Exaktheit dieser Opposition abgemildert, wenn nicht gar beendet wurde. Unter anderem durch die Installation der härtesten Asylgesetze seit Bestehen der Bundesrepublik. Im Schnellverfahren, ohne nennenswerten Wiederspruch.
Die Panik war einfach zu groß, der Schwenk in der Stimmung nach halbrechts zu offensichtlich, als dass man es sich leisten wollte, ruhig und sachlich zu entscheiden. Natürlich, es hätte noch viel schlimmer kommen können. Aber noch ist ja nicht alles vorbei, denn erst am 29. Januar nächsten Jahres wird durch das Quadrat von Saturn und Neptun (wiederum heliozentrisch) das gesamte Thema den Rahmen und die Form gefunden haben, mit der wir dann in Zukunft leben müssen. Und es kann gut sein, dass ausgerechnet dann ein wirklicher Tsunami manifest wird, dann wenn die eingebildete Überflutung keinen Widerhall mehr im kollektiven Bewusstsein findet.
Dass wir dieser Tage erleben mussten, wie schnell aus einer Willkommenskultur eine Hass-Diskussion werden kann, die dann auch zu ebensolchen Handlungen führt, haben wir den eingangs genannten Trollen und Sockenpuppen zumindest bis zu einem gewissen Grad mit „zu verdanken“.
Aber was genau sind nun Trolle?
Als Troll bezeichnet man im Netzjargon eine Person, welche Kommunikation im Internet fortwährend und auf destruktive Weise dadurch behindert, dass sie Beiträge verfasst, die sich auf die Provokation anderer Gesprächsteilnehmer beschränken und keinen sachbezogenen und konstruktiven Beitrag zur Diskussion enthalten. Dies erfolgt mit der Motivation, eine Reaktion der anderen Teilnehmer zu erreichen.
aus Wikipedia
Wichtig ist dabei auch die Anonymität des Trolls (Neptun), damit er seine Meinung und sein Weltbild (Jupiter) ungehindert, also ohne Konsequenzen für ihn oder sie, einbringen kann. Selbst hier bei Loop! konnte man diese neue Spielart bewundern, bis hin zur Einsetzung von Sockenpuppen. Sockenpuppen sind einfach eine andere Identität des Trolls, er tritt in ein und derselben Diskussion unter einem anderen Namen auf und versucht dann, gezielt zu provozieren oder ganz bestimmte Reaktionen bei anderen Diskussionsteilnehmern hervorzurufen. Bisweilen führt das dann in den Bereich einer virtuellen, multiplen Psychose, wenn (auch das gab es hier) bis zu fünf verschiedene Identitäten gleichzeitig abgerufen werden, um die eigene Meinung möglichst breit gefächert unter zu bringen.
Während man den Begriff des Trolls in diesem Zusammenhang nur sehr schwer einem bestimmten Zeitpunkt zuordnen kann, da er in den Jahren 1992 bis 1993 mehrfach in verschiedenen Foren auftauchte, scheint der Begriff der Sockenpuppe (sock puppet) am 9. July 1993 von einer gewissen Dana Rollins in einer Thread-Erwiderung zum ersten Mal in diesem Zusammenhang gebraucht worden zu sein:
"I suppose I could save everyone the suspense by just saying, "Fuck you, clown (singular)", though. Everyone knows they're seeing two when there's only one. I happen to know for a fact that one is merely the sock puppet manifestation of the other's demented and sadly listing psyche. Like the Melanie ruse - Arthur getting in touch with one of his female multiples - it's all I can do not to just break into tears, when I think how the lad must be suffering inside.
The truly wild thing is that all of Fnord is written by one person. Me. I'm the sickest ones of all. I AM all. Oh God! YES? Help me, as I is helpin myself!"
Von der Schöpferin sind leider keine Daten bekannt, aber das Horoskop der virtuellen Sockenpuppen ist umso eindeutiger. Die Krebs-Sonne (mit angebundenem Merkur) weist schon einmal darauf hin, dass die Basis des Ganzen das eigene Zuhause ist. Auch das innere, es geht um die eigenen Empfindungen, die sich aber nur innerhalb der Opposition mit Neptun-Uranus ausdrücken können. Zum einen eben durch die Anonymität, das Verschleiern und Vernebeln (wer bin ich wirklich) über das Medium der Vielfalt einer in viele Teile zerbrochenen Persönlichkeit (Sonne-Uranus), die hier ein Eigenleben führen dürfen.
Was aber auf einer persönlichen Ebene eher menschlich-tragisch für alle Betroffenen ist, wird durch das gezielte Einsetzen solcher Troll- und Puppen-Heere durch Regierungen und Interessengruppen zu einer Kraft, die nachhaltig die Meinungsbildung zu bestimmten Themen beeinflusst. Genau genommen könnte das schon Teil einer zukünftigen Kriegsführung via Netz und soziale Medien sein, mit der weite Teile der gutgläubigen Bevölkerung instrumentalisiert werden sollen. Die Möglichkeiten wie man Trolle und Sockenpuppen einsetzen kann, sind relativ unbegrenzt, die Möglichkeiten des Einzelnen das aufzudecken und zu enttarnen sind dagegen sehr beschränkt.
Vielleicht wäre es jetzt, nachdem die Grundspannung zwischen Jupiter und Neptun sich auch aus Sonnensicht langsam auflösen wird, auch an der Zeit, die vergangenen Wochen nochmal neu zu bewerten. Und sich selbst zu fragen, wo man vielleicht Teil einer Meinungskampagne wurde, die ganz bewusst an bestimmte Ängste und Emotionen gerichtet war. Vielleicht wäre es wichtig, sich dieses gute Gefühl, Teil einer Bewegung zu sein, die dieselben Interessen verfolgt, noch einmal unter diesen Gesichtspunkten anzusehen. Denn eines ist mir aufgefallen –im wirklichen Leben habe ich weitaus weniger „Angstbürger“ getroffen, als im Netz. Im richtigen Leben gab es meist einen vernünftigen Austausch an Argumenten und Sichtweisen, in denen auch die Besorgnis über zukünftige Entwicklungen Raum hatte.
Im richtigen Leben sind bei den bekannten Pegida- und sonstigen Montags-Demonstrationen auch nicht mehr Menschen unterwegs als vor einem Jahr. Das Netz dagegen scheint voll von neuen Sympathisanten zu sein.
Wer weiß, wie viele davon nur kleine Trolle und verknitterte Sockenpuppen waren und sind? Der andere, astrologisch gesehen weitaus relevantere Punkt ist wieder einmal:
Unter dem Einfluss großer Konstellationen verändert sich die Welt scheinbar im Stundentakt. Aber man darf sich davon nicht täuschen lassen. Astro-logisch gesehen haben solche Entwicklungen einen definierbaren Anfang. Und dementsprechend auch ein eben solches Ende, zumindest was das dynamische Element solcher Entwicklungen betrifft. Wenn unter dieser Dynamik, die eigene Urteilsfähigkeit und Klarheit offensichtlich beeinträchtigt wird, dann sollte man, bevor man sich auf einen Standpunkt oder eine Absicht festlegt, soviel Raum wie möglich lassen. Andernfalls wacht man eines Tages in einer Welt auf, die man kaum wieder erkennt. Und selbst wenn man schließlich die Fehler erkennt, die gemacht wurden und an denen man womöglich auch beteiligt war in der einen oder anderen Weise, wird es dann nicht mehr möglich sein, das Rad der Zeit einfach zurück zu drehen.
Man kann sich unter allen Umständen auf die Informationen des astrologischen Modells hinsichtlich solcher Entwicklungen verlassen. Und deshalb auch darauf, dass fast immer genügend Zeit bleibt, um vernünftige und hilfreiche Entscheidungen auch in Krisenzeiten zu treffen. Alles andere ist angesichts der Brisanz mancher Entwicklungen ziemlich eindimensional und absurd.
Genauso wie ein Leben als Troll oder Sockenpuppe…
Titelbild: By VS6507 (Own work) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons; By EFF (Own work) [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons