Mama, hol mich zurück nach Hause!
"Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern bekommen. Wurzeln und Flügel." Sofia Roberts, Amerikanerin mit heftigem Stellium von Sonne, Saturn, Merkur und Mars in den Fischen an der Grenze zum Widder, bekam stattdessen ein paar Tage nach ihrem 15. Geburtstag ein Flugticket nach Sibirien. Vielleicht hatte ihre Mutter das Goethe-Zitat irgendwie falsch verstanden.
Denn die Tochter sollte gar nicht mehr zurück nach Hause - nach Chantilly, Fairfax, Virginia. Man will sie, so wie sie ist, nicht dort haben. Das hört Sofia aber erst am Ende des "Urlaubs", als sich die Reise zum unbekannten Vater Igor als Strafaktion für den trotzigen Teenager entpuppt. Vermutlich stand damals Uranus, der just in den Widder gelaufen war, über dem Mond.
Die Ablösung von der Mutter kam völlig unerwartet. Seit über zwei Jahren sitzt Sofia Petrova Roberts nun in Nowosibirsk fest. Weil sie pubertierte, trotzig war, ihren Stiefvater nicht akzeptierte. Weil, weil, weil. Weil es immer Gründe gibt, sich Schwierigkeiten vom Hals zu schaffen. Sofias Petrova Roberts Geschichte ist umso unglaublicher, da es sich nicht um eine Story aus sozialen Schieflagen handelt, sondern um ein böses Oberschicht-Märchen. Oder: Das klassische Kapitel aus dem Leben einer Fische-Betonten. Wahrheit, Lüge, Chaos und Verwirrung. Pubertät ist, wenn die Eltern schwierig werden, heißt es. In diesem Fall begann alles aber viel früher. Sofias Alltag zerbricht nicht erst, als sie 14 ist und "unkontrollierbar" wird (so ihr Stiefvater, aufgerechnet ein US-Einwanderungs-Anwalt). Damals, als Uranus kurz nacheinander ihren Merkur, Mars, Sonne und Saturn transitiert. Selbst für einen Erwachsenen eine extrem beunruhigende Herausforderung.
Zwei Jahre vorher, als Pluto das Stellium im Quadrat kreuzte, hat Sofia erst erfahren, dass sie einen anderen Vater hat, als sie denkt. Sie muss zum ersten Mal mit Igor skypen, diesem Fremden aus Sibirien, der ihr nun präsentiert wird. Obwohl sie kein Wort Russisch spricht. Mitten in die Wirklichkeit gehalten. Zwei Jahre später lebt sie bei ihm, immer noch wortlos. Als Strafe, weil sie zuhause tat, was Teenager öfter tun: Klauen, lügen, Grenzen testen, auch aus Protest gegen die Umstände zuhause. Sofia Roberts steht jetzt unter Pluto-Uranus über Radix-Quadrat Jupiter-Chiron in Waage-Steinbock. Sie macht mobil, auch die Medien, alles, was sie kennt. Facebook, Mails, Briefe. Ein All-American-Girl, dem das Leben, wie für starke Fische-Betonung typisch, gerade wie ein falscher Film vorkommt. Mutterseelenallein und aus Not mit 17 erwachsen, mitten in Sibirien.
Als Sofia Petrova zwei Jahre alt ist, bei Saturn Quadrat zu Neptun, ihrem Sonnen-Herrscher, geht die Mutter, eine hoch begabte Wissenschaftlerin, mit ihr nach Amerika, nach Washington. Im Radix-Horoskop (rechts, ohne Zeit, nach Facebook-Angaben) ahnt man schon einen ungewöhnlichen Lebens-Verlauf, wie er manchmal bei Planeten-Ständen nah der kosmischen Spalte bzw. Frühlingspunkt vorkommt. Das Kleinkind Sofia hat im Jahr nach dem Umzug Uranus und Saturn über Venus. Alles voller schwieriger, neuer, anderer Maßstäbe.
Sofia wächst danach als Amerikanerin mit dem zweiten Mann auf, den ihre Mutter heiratet, den auch das Mädchen liebt und lange für ihren Vater hält. Auch Sofia ist naturwissenschaftlich sehr begabt. Sie hat keine Ahnung, wie sich ihr Leben bald ändern wird. 2008, beim umwälzenden Pluto-Transit im Konflikt zum Fische-Cluster, trennt sich ihre Mutter vom "Dad" und teilt der 12jährigen mit, dass der richtige Vater, von dem sie geschieden ist, in Sibirien lebt. Zwei Jahre danach heiratet die Frau ihren dritten Mann, den Anwalt. Von da an, sagt Sofia, geht es wirklich bergab.
Weder hat das Mädchen den Sprung in ihrem Alltag verkraftet, als es in die Pubertät kommt, noch diese neue Identität. Fische-Betonte sind ja hoch empfindlich und ihre Anpassung schwebend, sie läuft lange nach. Saturn auf der Sonne begrenzt dazu, beengt, blockiert leicht von außen all die Fantasie und die Wünsche. Besonders im Wasser-Element wird er in der Kindheit häufiger als Strenge erlebt, eine Mauer, die sich erst viel später als heilsamen Talent zur Selbst-Disziplin zeigen kann. Falls der Träger den Saturn dann selbst nimmt. Damals bekommt Sofia ihn durch Rollenspieler im Umfeld präsentiert, vor allem, sehr passend, über den Mann der Rechte, ihren dritten Vater. Als danach auch noch Uranus auf das Fische-Stellium zusteuert, entsteht nur eins: Zerrissenheit und noch mehr Druck.
Sofia rettet sich vor Saturn in ihre trotzige Mars-Merkur-Konstellation, ein Versuch, ganz autonom zu sein. Sie sagt heute entschuldigend, dass sie seinerzeit sicher kein Engel war, ohne zu merken, dass Kinder keine Engel sein müssen. Es ist schlicht nicht ihr Job. Mars im Cluster macht diese Heranwachsende schwierig, lässt sie zu schnell reagieren, reden, ohne nachzudenken. Neptunische Menschen lügen manchmal einfach im Reflex, wenn sie konfus werden. Im Jahr, bevor man Sofia wegschickt, gibt es deshalb oft Streit. Der Stiefvater versucht, sie zu kontrollieren, sie wehrt sich, schwimmt heraus aus den Zwängen, den Festschreibungen. Irgendwann liegt viel Geld in der Wohnung. Sie nimmt alles, ohne zu überlegen, ein Ventil für den Zwang vielleicht, den sie nicht versteht. Das ist das Aus.
Besonders für den Stief-Vater muss das die rote Linie gewesen sein, der ihr später, als sie schon in Russland sitzt, auf ihre herzzerreißenden Briefe an die Mutter auf Facebook an deren Stelle mit öffentlichen Predigten antwortet. Menschen in Rechts-Berufen haben fast immer starke normative Komponenten im Horoskop, dominante Saturn- oder Pluto-Beteiligungen. Er versucht, das ihm so fremde Wesen des Kindes zu reglementieren, das nicht anständig, nicht regel-konform, nicht richtig lebt. Sofia, vermutlich mit einem Widder-Mond gerüstet, zusätzlich zu der starken Mars-Einstimmung, wehrt sich. Sie springt wieder aus allen Formen. Als man sie fragt, wofür sie das Geld gebraucht hätte, lügt sie erneut: Für Drogen. Zwischen Provokation und Hilflosigkeit. Vorbewusst agiert Neptunisches unter Druck. Das Dümmste, was sie tun kann, findet sie selbst später. Gar nicht so dumm, findet die Astrologie - noch dümmer wäre gewesen, wirklich Drogen zu nehmen. Und keine Seltenheit bei Kompensationen in den Fischen.
Aber danach glaubt ihr keiner mehr. Da kann sie widerrufen, so viel sie will. Der Akt der Lüge, die solchen Anlagen so häufig zum Verhängnis wird, ist ein neuer Grund, das Mädchen abstrafen zu wollen, bessern zu müssen. Als man sie um ihren 14. Geburtstag überredet, doch den fremden Vater Igor in Sibirien kennenzulernen, hat Sofia ein ungutes Gefühl. Aber sie hat nicht gelernt, ihrer neptunisch-merkurischen Intuition zu trauen. Distanz? Ja, vielleicht heilsam, zumal sie unbedingt etwas tun will, um die Eltern von ihrem guten Willen zu überzeugen. Das Fische-Prinzip ist zutiefst sehnsüchtig - es will und muss sich ja mit der Welt, den Menschen verbinden, so durchlässig, dass es Trennung, Wassermann, der im 12. Feld ab Fische sitzt, häufig verdrängt, kaum erträgt.
In Sibirien, in irgendeinem Einöd-Ort, trifft sie einen Vater an, der Trinker ist, zwischen Überforderung und Aggression. Zwei Welten prallen aufeinander. Mars steht jetzt auf Sofias Fische-Cluster, das wahre, bislang illusionäre Vaterbild wird lebendig und weckt in ihr äußersten Widerstand. Man kann sich nicht mal verständigen. Als sie Kontakt mit ihrer Mutter aufnimmt, wird ihr mitgeteilt, dass sie bleiben muss, nicht zurück darf. Ein Alptraum unter Jupiter-Saturn-Opposition in zwei Quadraten zum Radix-Jupiter des Mädchens. Es gibt kaum etwas zu essen, und die einzigen, die sich kümmern, sind die neuen Lehrer. Sie geben Sofia Kleidung und Mahlzeiten und erzählen später, dass sie das öffentliche Bild der Eltern nicht überein bringen mit der Heranwachsenden, die sie erleben. Sofia sei begabt, fleißig, immer äußerst respektvoll.
Dass sie sich nicht in Russland eingewöhnen will, starken Widerstand hat, finden sie völlig natürlich. Schließlich hätte ja auch keiner das Mädchen gefragt, ob es überhaupt dort leben will. Sofia bliebe eben durch und durch Amerikanerin. 2012, bei Mars-Opposition zu ihrem Stellium, benachrichtigt die Schule die Polizei, weil sie berichtet, dass der Vater aggressiver wird, dass sie Hunger hat. Das Mädchen kommt mit 16 Jahren in ein Kinderheim. Die Mutter schreibt aus Amerika, wenn sie nicht sofort zurückgehe zur russischen Familie, dürfe sie niemals wieder nach Hause. Obwohl Sofia daraufhin erneut bei Igor wohnt, kommt wieder kein Flugticket.
Bei Mars-Quadrat zu ihren Fische-Planeten fühlt sich das Mädchen in die Aktion gedrängt. Es muss etwas passieren. Sofia geht allein nach Nowosibirsk, in ein Hostel, das ihr eine Freundin vermittelt. Dort arbeitet sie, verwendet das Geld für ein Internet-Studium an einer amerikanischen Highschool, weil der Eigentümer sie kostenlos dort wohnen lässt, nachdem er von ihrer Geschichte erfahren hat. Ihre Mutter geht nicht mehr ans Telefon, wenn sie anruft. Die russische Lehrerin, die intervenieren will, schreit sie an. Nur der Stief-Vater telefoniert noch, predigt, antwortet auf ihre Facebook-Einträge, die von dem Rätsel handeln, wieso nichts passiert, wieso sie abgeschoben bleiben soll.
Es gibt kein Rätsel. Sei nett, sei respektvoll. Nimm keine Drogen, stiehl nicht. Folge den Regeln von Eltern und Haus. Du konntest hier keiner von ihnen nachkommen, also dachten wir, du würdest sie von deinem Vater lernen. [...] All das ist kein Rätsel. Es ist klar. Du musst dafür nicht dort weg, Sofia. Alles, was du tun musst, ist, das Ruder herumreißen. Du versuchst weiter, zurückzukommen, indem du uns drohst. Wie soll uns das zeigen, dass du respektvoller geworden bist? Wie wär's, wenn du dich mit deinem Vater anfreundetest?[...]Das sind einfache, leichte Dinge, die man tun kann. Das sind keine Rätsel."
Sofias Stiefvater, letzten Monat, auf Facebook
Sofia Petrova Roberts ist jetzt 17, plötzlich erwachsen, arbeitete zuletzt 60 Stunden. Sie hat sich geändert, und trotzdem will sie keiner. Sie wendet sich an die amerikanische Botschaft. Keine Antwort. Dann aktiviert sie irgendwann jede Ressource, die sie kennt, über das Internet. Stiefvater Igor nennt seine Tochter, die nach Hause will, "manipulativ". Die Medien veröffentlichen die Geschichte, was die US-Eltern noch ärgerlicher macht. Plötzlich stehen sie als hartherzige Narren da. So darf sie nicht zurück. Wie gesagt, es gibt immer einen Grund mehr, wenn jemand etwas verhindern möchte. Dass dieses Kind, Mädchen, die heute fast Erwachsene, mit ihren starken Anlagen zu Crashs der Traumwelten mit der Wirklichkeit anderer die Familie schlicht gestört hat, ist wohl mehr als nur ein böser Verdacht. Hier geht es auch um Prinzipien, wie immer in Saturns Bereichen. Normen, die Fantasie, Entwicklung, Wahrheit vermauern. Um Fische-Saturn auf einer Sonne. Sofia reagiert mit Sonne-Mars zunehmend wütend. Aber auch wie Neptun das manchmal tut, radikal, wenn er die ganze Wahrheit endlich verteidigt. Widder spiegelt sich ja auf Fische. Aus all dem entsteht noch mehr Stoff für noch mehr Gründe, Sofia in Sibirien zu lassen.
Du bist Rechtsanwalt. Dein Job ist es, Leute zu überzeugen, dass dein Klient unschuldig ist. Egal, ob er es ist oder nicht. Du weißt sehr gut, wie man Leute zu etwas bringt. Aber denk dran, wir sind hier nicht vor Gericht."
Sofia Petrova Roberts antwortet ihrem Stiefvater auf Facebook
Inzwischen ist sogar der Job weg, weil die Medien das kleine Hostel plötzlich überrollten. Das macht die Sache für Sofia nicht einfacher. Noch ist Saturn nicht ins Trigon zum ersten Cluster-Planeten Merkur gelaufen. Die Lage ist schwierig, die Zeit drängt jetzt. Auch Pluto-Uranus steht noch einmal über Jupiter-Chiron an. Natürlich gibt es bei Radix-Saturn-Sonne meist rechtliche Basics, die so eine elterliche Posse unterstützen. Weshalb man sich eines rebellischen Teenagers dann einfacher entledigen kann. Obwohl die Mutter amerikanische Staatsbürgerin ist, hat Sofia nur russische Personal-Dokumente. Wenn sie mit 18 keinen amerikanischen Pass besitzt, den allerdings dort die Eltern beantragen müssten und der ihr vermutlich rechtlich zustünde, kann sie ab da immer offiziell ausgewiesen werden. Selbst wenn die eigene Familie sie nicht zuvor schon ausgewiesen hätte. Ausgerechnet das Land der unbegrenzten Möglichkeiten fühlt sich nicht zuständig für ein zwar praktisch, aber nicht offiziell zugehöriges Kind seiner Kultur. Wieso sonst niemand etwas tun kann? Frag Neptun.
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