Der unzerbrechliche Krug
"Flugratten in den Kopf rein. Zum einen Ohr rein, zum andern nicht raus. Für immer nicht." (Manfred Krug, 66 Gedichte).
Freak war er, Wassermann war er und völlig anders, nicht wirklich im Zentrum anwesend, wenn auch da. Sondern anderswo, in den Lüften. Anders als die Löwen im Kreis gegenüber, immer unterwegs an den Peripherien, wie die Wassermänner eben sind. Klirrend, voller Dissonanzen, vereinen das, was nicht zusammen passt, manchmal, indem sie das andere ausschließen, manchmal, indem sie es aufnehmen. Ganz. Und dann wieder zu ihrem eigenen Gegenteil werden. Manfred Krug, auch einer der Exzentriker, der von West nach Ost ging als Kind, der von Ost nach West zurück ging als Erwachsener. Geliebt da wie hier, ein Teil von allen, trotz der Unterschiede, mit seinem Steinbock-Mond-Jupiter (ja, ein Bestimmer, aber ein beliebter), ein Musiker, Jazzer, Schauspieler, zuletzt ein Dichter. Und auch das noch: ein Skorpion-Mars im Quadrat zur freien Sonne, bissig, manchmal aggressiv. Auch gegen sich. Ambivalenz, die ihn wie eine Fessel zusammenhielt, so dass das Uranische nicht zu kühl, ungreifbar wurde. Die Konzeption. Und oft nicht leicht zu handeln für die anderen. Der Liebling, der aus Überzeugung ein Widerständler ist und mit Scherben leben muss, die er als Kunstform einsetzt.
"Gedichte will doch kein Mensch mehr lesen. Deshalb sage ich ausdrücklich: es sind keine Gedichte. Was es aber ist, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich kleine Blähbeulen im Kopf." (Manfred Krug über die Krug-Poesie).
Ja, er war dann auch wieder der lebende Sarkasmus, aber treuherzig. Ambivalent zwischen Lebensfeier und Flucht. Einer, der Sachen sagt und dichtet, wie andere mit dem Hammer auf Pflaster schlagen, Merkur-Pluto-Opposition, ein Viel-Besessener, ein Hoch-Talentierter: Immer klar, meistens wahr. Nun ist der unzerbrechliche Krug tot, gestorben schon vor Tagen, in der Zeit, da Pluto über seinen Mond-Jupiter ging. Friedlich, sagt man, im Kreise seiner Familie. Sein Leben war bunt und eine einzige Selbstbestimmung, Skorpion-Mars, der eiserne Wille. Man kann die Ups und Downs astrologisch so unglaublich klar nachvollziehen, wie das manchmal ausgerechnet bei Leuten ist, die damit wirklich gar nichts am Hut haben. Er wollte nur eins und das war wie seine Sonne uranisch:
"Ich wollte immer ein freier Mensch sein. Das Wort „Massenorganisation“ war mir zuwider." (Manfred Krug)
Geboren vor 79 Jahren in Duisburg, Ruhrgebiet, einer, der etwas abkann, mitten im Krieg. Dann mit der Familie abgewandert auf Arbeitssuche des Vaters. Am Ende bei der Großmutter, als die Eltern sich trennen und Vater, der Eisenhütten-Ingenieur, in den Osten geht. Die Ur-Oma "...ein stummes Fräulein, das vier Kinder von vier verschiedenen und bald verschwundenen Männern großzieht. Wenn das keine Geschichte ist." (Krug). Die Oma Lisa dagegen liebt ihn, glaubt an ihn, unendlich. Das steht selbst im Mini-Lebenslauf unterm Gedichtband beim Büchermarktplatz Amazon im Internet. Eine Vita, die er vermutlich eigenhändig verfasste (rechts Screenshot). "Mutter Tipse, Vater Stahlkocher". Mit 12 erst unter dem Stahlbad Pluto Opposition Sonne dann dauerhaft in die DDR, was für ein Druck. Später, bei Saturn auf Sonne, heiratet er die eine Frau, die man nicht vergisst.
Eine schöne Ottilie, der er noch viel später, mit nun bald fast 80, eine letzte große, öffentliche Liebeserklärung macht. Und zusammen drei, nein, vier Kinder - ein spätes, besonderes darunter, weil von einer anderen Mutter, geboren, als er 1998 den Uranus Quadrat Mars hat und Flitzen im Kopf und überall sonst wahrscheinlich auch. Die Familie liebt das kleine Mädchen, sagt Liebling Kreuzberg, da längst der Star, als es herauskommt (an die Öffentlichkeit, sein Umfeld weiß es längst). Es ist ja sein Kind, sein "extraordinäres Kind", das seine Liebe nicht zerstört.
Soweit noch mal der Uranus, wenn er einen saturnischen Merkur hat. Dann hat alles wieder seine Ordnung in der Unordnung und keine Widerrede. Und darum vielleicht liebt er seine Frau Ottilie noch mehr, weil sie ihn so liebt, dass sie ihn nimmt wie er ist. Dass er sich mit ihr "zwangsverheiratet", 1963, bei Saturn und Neptun im Zulauf auf seine Sonne, damit sie nicht auf dem Land als Lehrerin darben muss, im Alltag des Ostens. Mit den leichtfüßigen Wassermann-Attacken des Selbst auf's Sein und in der Steinbock-Schwere der Bedeutung über allem, was er tut, geht sie wohl um. Er war ja nie windschnittig, das sind die Uranier nicht, und sie gewinnen gerade darum oft bei denen, die sich nach mehr Widerspruch sehnen, den sie sich dem Leben gegenüber nie anzubringen trauen. Dann werden sie andächtig, wenn er seine Rollen spielt, die immer so ähnllich sind wie Manfred Krug. Der Liebling von seinem Freund Jurek Becker für ihn geschrieben. Gebrochen und sehr, sehr stabil, wie das Saturn auch ist.
Es war etwas Stierisches an Krug, außer dem Sonnen-Herrn Uranus im Stier (links Mittags-Radix), vielleicht ein 2. Haus prominent oder ein AC mit Bezug zum Venusischen - stets so patent, gerade, grob manchmal, praktisch. Stahlschmelzer wurde er als Jugendlicher und fing erst nach dem Abitur (nachgemacht abends) die Schauspielschule an. Bei Krug läuft astrologisch extrem viel Veränderung über die Transite zur Sonne, so auch da wieder, als Saturn ins Quadrat zu ihr läuft. 1954. Und dann hat er natürlich fast schon logisch "disziplinarische Schwierigkeiten" und muss wieder gehen gehen.
Nach einigem Hickhack, dem Altar, auf dem das Uranische sein Anderssein kocht, wird er doch ein Star im Ost-Kino. Unterschreibt aber gegen Biermanns Ausbürgerung. Immer gern dagegen, gestatten, Uranus im Stier, da geht man links, wenn alle anderen rechts laufen. Wogegen dieser ewige Marsch als Geisterfahrer? Gegen vieles, alles, was andere Autoritäten meinen. Dem saturnischen Mond (haben Clooney und Hitler auch) ist und bleibt ja die Entscheidungsgrundlage das eigene Gefühl. Das wird zum Maßstab erhoben und als solcher geheiligt. Krugs Krise in seinem Osten kommt also wegen des Protests 1976 - und es gibt eine Art Berufsverbot. Woraufhin er am 20. Juni 1977 nach West-Berlin umsiedeln darf.
An dem Tag steht nun genau ein mundaner Merkur-Jupiter in den Zwillingen auf Krugs Chiron (in Quadraten zu Saturn und Neptun) und das ist famos, eine Feier, und es tut leider wohl auch famos weh. Im Westen geht es wieder bergauf. Man kennt Krug bald überall als Liebling Kreuzberg oder 'auf Achse' und dann, sieben Jahre = ein Saturn-Viertel später, als Herrn Stoever, der er für den Nord-Tatort wird. Und 17 Jahre bleibt - unter größter Beteiligung des Publikums.
ICH ERSCHAFFE DICH SELBST
Nie ist er über all dem ein merkwürdiger Sonderling geworden, als die Wassermänner ja doch ab und an besonders im Alter gehandelt werden. Sondern Mond-Jupiter macht ihn überaus mehrheitskompatibel. Auch, als er 2001 den Tatort aufgibt und irgendwann dann sogar gleich das ganze Fernsehen. Auch das ist ja Uranus: radikal. Und unermüdlich, weshalb der unzerbrechliche Krug immer noch schreibt und singt und spielt und Radio macht und dichtet. Vielleicht steckt darin, in der spröden, schnellen Lyrik, ja der hintergründig zarte Mond-Jupiter-Merkur im Trigon zum Neptun. Wie ein zweiter Kern:
"Ich kann dich anknipsen wie eine Birne. Und ausknipsen. Du bist mir bequem, ich erschaffe dich selbst. Aus dem Nichts. Ich brauche dich nicht. Wärst du denn leidenschaftlich? Wärst du verludert und geistreich? Brauchst du einen? Bist du bereit zur Sünde? Sehnst du dich nach ihr? Liest du meine Briefe, in Angst und Gier geschrieben? Hast du dir schon ans Herz gegriffen oder zwischen die Haxen? Wenn ich will, greifst du dir hin. An kann ich dich knipsen wie Licht. Und aus. Ich stelle mir vor, du leuchtest." (Manfred Krug)
Im Herbst 2014 nähern sich Pluto und Uranus schließlich Manfred Krugs Kardinal-Planeten. Er hat eine Herz-OP, danach arbeitet er wieder. Uranus läuft und läuft. Für den Winter waren Konzerte geplant. Das klappt nicht mehr. Beim Uranus Quadrat zum Steinbock-Merkur, der so viel geschaffen und geschafft hat, ist Manfred Krug gestorben. Einer, der mit Skorpion-Mars zwar vieles kontrollieren konnte, aber das Leben ja trotzdem auch nicht aus- und anknipsen kann wie eine Birne. Er ist schnell, heftig flüchtig wie Wassermänner sind, selbst die stabilen: "Aus dem Nichts", wie er schrieb. Nun ins Nichts. Aber bestimmt nicht vergessen.
Vita aus: SPIEGEL
Bild (bearbeitet): Bundesarchiv, 183-L0221-0333 / Franke, Klaus / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons