Der Tanz von Sonne, Mond und Erde
Die Dynamik der Mondphasen zeigt wunderbar, womit wir es im astrologischen Kontext wirklich zu tun haben. Bewegung, Wandel, Zyklen und Kreisläufe. Die Betrachtung eines astrologischen Bildes verleitet aber schnell dazu, die einzelnen Faktoren nur statisch zu deuten. Genau genommen finden wir allerdings in diesen Bildern nur einen einzigen Ausschnitt, eine Momentaufnahme ähnlich einer Fotografie. In Wirklichkeit betrachten wir jedoch einen Film, der im Prinzip keinen Anfang und kein Ende hat. Dessen Drehbuch sich von alleine immer weiter schreibt, bis zum Ende aller Zeit und aller Tage.
Die Beschäftigung mit den Mondphasen ist ein guter und relativ einfacher Einstieg, um einen Zugang zu dieser komplexen Anschauungsweise zu finden. Die exakten Zeitpunkte von Neu-, Viertel- und Vollmonden stellen ja nur Eck- und Wandelpunkte innerhalb eines Ablaufes dar. Sie können natürlich für sich genommen Aussagen über die einzelnen Phasen dieser Wandlungen möglich machen. Ein grundlegendes Verständnis für die entstehende Zeitqualität mitsamt ihren Möglichkeiten und Herausforderungen ergibt sich aber nur aus der Gesamtschau.
Dies gilt - nebenbei bemerkt - auch für jegliche Art der Transitbeobachtung. Auch hier reicht es in aller Regel nicht, nur die exakten Zeitpunkte einer Auslösung zu interpretieren. Für das wirkliche Erleben spielen die gesamten Abläufe mit allen Variationen eine Rolle.
Kurz gesagt: Astrologie ist ein hoch dynamisches System, ständig im Wandel begriffen. Innerhalb des Bedeutungskreises hängt hier alles mit allem zusammen, jede Zeichenstellung, jeder Aspekt eines Planeten beeinflusst automatisch auch den Ausdruck und die energetische Erscheinungsform aller anderen.
Somit müssen sich eigentlich auch die Wertigkeit und die darauf aufbauende Interpretation der einzelnen Symbolträger immer wieder verändern. Selbst Saturn kann sich im Laufe dieser Evolutionen vom harten Vollstrecker zum nachgiebigen Softie wandeln. Dabei wird er jedoch nie seine grundlegende Substanz, seine ureigenen Basics und Themen verlieren. Nur die Art und Weise, wie diese in Erscheinung treten, kann und wird sich immer wandeln.
Darin liegt übrigens auch ein Grund, warum astrologische Prognosen so schwierig zu stellen sind, wenn es um konkrete, auch äußere Erscheinungsformen geht. Zwar kann man, wie in jeder empirischen Wissenschaft, vergangene Ereignisse, die unter ähnlichen astrologischen Voraussetzungen stattfanden, als Orientierung nehmen. Man muss aber immer auch das aktuelle Gesamtbild im Auge behalten. Und vor allem die feinen Unterschiede einbeziehen, die sich z.B. durch veränderte Stellungen der anderen Planeten zeigen.
Das klingt nicht nur hoch komplex, sondern ist es auch. Weswegen man astrologische Prognostik tatsächlich als Königsdisziplin bezeichnen darf. An der sich viele versuchen und fast ebenso viele scheitern. Scheitern müssen – denn die dazu erforderliche Art zu Denken und zu Begreifen wurde uns meist nicht mit in die Wiege gelegt. Insofern ist die Beschäftigung mit Astrologie auch eine Art Geistestraining, weg von statischen, leblosen Konzepten und Weltbildern, hin zu einer lebendigen und immer wieder auch überraschenden Erfahrungswelt.
Zurück zu unserem Vollmond. Der Begriff Mondphasen an sich ist schon ein Wink in die falsche Richtung. Denn es handelt sich hier um einen Dreier-Tanz. Sonne, Mond und Erde sind die Akteure, im Bild des Mondes spiegelt sich nur ein Teil dieser Symmetrie und Dynamik. Aber ein gut sichtbarer, weswegen die Bezeichnung auch durchaus hilfreich war und ist.
Aber die augenfälligste Wirkung dieses Tanzes, die unterschiedliche Bewegung der Wassermassen auf unserem Heimatplaneten, entsprechend der einzelnen „Mond“-Phasen, entsteht eben durch alle drei Faktoren. Wir haben es hier zuallererst mit einem reinen Masse-Phänomen zu tun. Bei Neumond stehen Mond und Sonne auf derselben Seite, zerren also nur aus einer Richtung an uns.
Bei Vollmond befinden wir uns mehr oder weniger im Zentrum der Fliehkräfte, die durch die beiden Körpermassen erzeugt werden. Was ja auch häufig im eigenen Erleben als eine Form von „Zerrissenheit“ erfahren wird. Dieses Phänomen ist für sich genommen erst einmal völlig unabhängig davon, zu welcher Jahreszeit bzw. in welchen Zodiak-Phasen diese Ereignisse stattfinden. Darüber zeigt sich dann lediglich wieder ein größerer Zyklus (z.B. der Jahreszyklus innerhalb dessen alle zwölf Zeichen durchlaufen werden), in den der kleinere Zyklus (von Neumond bis Vollmond wieder zurück zu Neumond) eingebettet ist.
Diesem kleineren Zyklus haben wir auch unsere generelle Zeiteinteilung in Tage und Wochen zu verdanken. Ein synodischer Monat (von Neumond zu Neumond) dauert 29 Tage, 12 Stunden und 44 Minuten im Mittelwert. Diese einzelnen Lunationen können aber bis zu sieben Stunden davon abweichen.
Im Schnitt dauert also eine Mondwoche sieben Tage und neun Stunden. Unsere gewohnte Unterteilung einer Woche in sieben Tage hatte also genau diesen Hintergrund, war ein zeitliches Mittel um die wichtigen Phasen-Eckpunkte dieses Zyklus kenntlich zu machen.
Der Mon(d)tag sollte demnach immer einen der Phasenpunkte kennzeichnen. Neumond, zunehmenden Halbmond, Vollmond und abnehmenden Halbmond. Und eigentlich wäre er sogar als geheiligter Ruhetag gedacht, ein Tag der Einkehr, der Besinnung, der Bewusstwerdung.
Dienstag (Mardi frz.) war der Tag danach, an dem wichtige Impulse wieder ins Leben getragen wurden, Aktivität entfaltet werden musste.
Mittwoch (Mercredi frz.), der zweite Tag nach einem Wandlungspunkt, empfahl sich für alle Arten der Planung, des gedanklichen Austausches, aber auch der kurzen Reisen.
Donnerstag (Donar germ. Jupiter), der dritte Tag in dieser Abfolge. Er sollte diese Impulse erweitern und auch zu Neuem hin wandeln. Am Freitag (der Tag der Freya = Venus), am Tag vier dieses Zyklus, war man aufgerufen, all die verschiedenen Aktivitäten und Impulse jetzt in Einklang zu bringen mit der Welt und ihren Bewohnern.
Am Samstag (Satur(n)-Day) konnte sich dann zeigen, inwieweit all das überlebensfähig war, vielleicht beschnitten werden musste, um übermäßigen Wildwuchs den Erfordernissen des eigenen Lebens anzupassen.
Der Sonntag stellte dann den Höhepunkt dieser kurzen Phase dar, der Tag an dem das Leben gefeiert und in vollen Zügen ausgekostet werden durfte. All die verschiedenen Stränge und Ursachen zeigten jetzt Wirkung und erschienen in der Form, die sich aus den vorherigen Bestrebungen und Aktivitäten ergeben hatte. Um dann am Mon(d)-Tag wieder in eine neue Phase der Entwicklung zu treten.
Heute benutzen wir zwar immer noch dieselben Benennungen unserer Tage, durch ihre Herauslösung aus dem zugrunde liegenden Zyklus haben sie aber ihre eigentliche Bedeutung verloren.
Sonntag kann eben auch „synodisch“ gesehen ein Mittwoch sein und der Mittwoch ein energetischer Saturn-Tag. Unsere Messung der Zeit hat ihre Anbindung an die Zeitqualität verloren und so verlieren wir uns auch häufig in einer Welt, die natürliche Phasen durch zweckmäßige Funktionalität ersetzt.
Wenn wir Astrologie als lebendige Selbsterfahrung verstehen, wäre es hilfreich, neben dem offiziellen Zeitzyklus einen zweiten, ureigenen wieder mehr im Bewusstsein zu verankern. Dann ist Montag eben wieder ein Mond-Tag, also Zeit zur Einkehr und inneren Besinnung.
Und heute, am Mars-Tag können wir diese inneren Einsichten wieder aktiv ins Leben tragen.
Allein das könnte manches in und um uns, mehr in Einklang mit den natürlichen Phasen und Zyklen bringen, weniger Kampf und weniger Stress erzeugen. Selbst wenn hierin noch nichts von den wirklich wertvollen Informationen enthalten ist, die uns die alte Dame Astrologie noch zusätzlich schenken kann.
Denn auch dieser, der heutige Vollmond stellt wieder einen einzigartigen Augenblick, einen unverwechselbaren Höhepunkt in unser aller Leben dar. Ausgedrückt durch Zeichen-, Häuser- und Planetenstellung, durch Aspekte, Abläufe und deren Eigendynamik. In Relation gesetzt zu unseren eigenen, energetischen Anlagen, kann uns das zusammengenommen ganz individuell und persönlich einen Hinweis auf Möglichkeiten und Chancen geben, die sich in dieser Form zu anderen Zeiten nicht zeigen werden.