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Astro-Labor

(M+Pi+Rie) x Leben = Astrologie?

Man stelle sich einmal kurz folgendes vor: nächsten Montag wird in allen Medien eine Sensation verkündet – Mathematiker vom Institut soundso haben neue Ziffern entdeckt. Ziffern, nicht Zahlen. Zu den bisherigen zehn kommen jetzt ein paar Neue hinzu.

Die Vrei, die Sünf und die Zweun.

Sie werden ab sofort den anderen Ziffern gleichgestellt, damit das Chaos aber nicht zu groß wird, bleibt aber irgendwie doch alles beim Alten. Denn die neuen Ziffern verkörpern im Prinzip nur die Inhalte der schon vorhandenen.

Die Vrei kann wahlweise statt der Drei oder der Vier eingesetzt werden, die Sünf ist so etwas wie eine halbe Sechs, und die Zweun umfasst alles zwischen Zwei und Neun. Praktisch ändert sich also nichts, es bleibt beim kleinen Einmaleins. Aber – jeder Forscher kann in Zukunft die neuen Ziffern in seine Formeln einbauen. Und da ihre Zuordnung nicht mehr eindeutig ist, sind es diese Formeln auch nicht mehr. Mit anderen Worten – was am Ende dabei rauskommt, ist ziemlich beliebig.

Man soll ja nie nie sagen, aber aller Voraussicht nach kämen Mathematiker nicht auf solch abstruse Ideen. Denn Mathematik funktioniert auch deshalb immer noch ganz gut, weil die Grundparameter seit Pythagoras und Co. kaum bis gar nicht verändert wurden.

Ein anderes, schönes Beispiel von sri: Man stelle sich vor, daß wir in Zukunft hauptsächlich nur noch Adjektive in Wort und Schrift benutzen. Subjekt, Objekt und Prädikat werden rigoros ausgeklammert aus ganzen Sätzen, stattdessen reihen sich Wieworte aneinander. Das „Hinzugefügte“ bestimmt also den Inhalt, am schönsten laut und schrill, schwammig und nichtsagend.

Eine solche Entwicklung deutet sich seit einiger Zeit in astrologischen Kreisen an. Während sich das eigentliche System über Jahrtausende hinweg kontinuierlich entwickelt hat, Neuerungen nur Eingang fanden, wenn sie mit den bisherigen Parametern kompatibel waren, finden sich heute scharenweise neue „Planeten“, Planetoiden, Asteroiden, Zentauren und Transneptunier in den Horoskopen wieder, die vor ein paar Jahren noch niemand kannte.

Bigger, better, faster, more…

Wo bis vor gar nicht allzu langer Zeit, nur das Sichtbare am Himmel in den Deutungen gewichtet wurde, bevölkern jetzt unsichtbare Felsbrocken und symbolische Punkte die Geburtsbilder unserer Zeit, die zwei Dinge gemeinsam haben:

Zum einen sind sie irgendwie extrem wichtig, ja bisweilen noch weitaus bedeutender als die „alten“ Planeten. Zum anderen sind sie nicht in die bisherigen Hierarchien und Strukturen eingebunden, es gibt kaum nachvollziehbare Zeichenzuordnungen (also zB keine Herrscherbezüglichkeiten). In gewisser Weise sind es also „freie Radikale“, die aber von ihren Nutzern meistens im Sinne der klassischen Planeten gewichtet werden.

Und - es gibt kaum empirische Forschungen. Irgendjemand hat irgendwann einmal den Anfang gemacht und im Zusammenhang mit einem neuen Himmelskörper ein paar Inhalte angedeutet. Meist aus einem „Bauchgefühl“ heraus, aus einer Intuition, die aber immer erst dann entstand, als dem „Neuen“ ein mythologischer Name verpasst wurde.

Beispiel Eins – Orcus und die Plutoiden

Am 17. Februar 2004 entdeckten Mike Brown und seine Kollegen vom California Institute of Technology in Pasadena einen Himmelskörper namens 2002 DW (Katalognr. 90482). Ihr Vorschlag ihn „Orcus“ zu taufen, wurde am 22. November 2004 von der IAU angenommen. Alle bekannten Deutungen beziehen sich nun auf den mythologischen Namen, in einigen wenigen Fällen werden auch aktuelle Ereignisse und Auslösungen angegeben. Allerdings meist nur im Zusammenhang mit dem mythologischen Hintergrund.

Für einen unvoreingenommenen Beobachter könnte also folgender Eindruck entstehen: Neue, astrologische Faktoren werden nur bezüglich einer Namensgebung gedeutet, die wiederum von Menschen bestimmt wird, die mit Astrologie wenig bis gar nichts „am Hut haben“. Sondern ihr im Gegenteil meist sehr skeptisch gegenüber stehen.

Oder gibt es etwa schon Deutungen zu 2007 OR10 (Katalognr. 225008, Spitzname: Schneewittchen)? Denn es handelt sich dabei um den größten, noch unbekannten und namenlosen Himmelskörper in unserem Sonnensystem, dessen Bahnresonanz mit Neptun drei zu zehn beträgt. Ich vermute es gibt sie nicht, denn wie will man Schneewittchen und die sieben Zwerge im altgriechischen Olymp unterbringen?

Dass es sich hier um empirische Forschung handelt, um Ergebnisse, die also überprüft wurden, kann ausgeschlossen werden. Zehn Jahre Beobachtungszeit sind nicht ausreichend, um zB Orcus schon jetzt auf eine Stufe mit Pluto zu stellen. Natürlich, die Gedanken sind frei und sich mit neuen Entdeckungen zu beschäftigen, gehört zum "guten Ton" in der Astrologie. Nur - nach welchen Kriterien will man heute schon beurteilen, ob nicht etwa 2007OR10 wichtiger ist als Orcus? Oder Eris, Haumea, Sedna und all die anderen, die noch kommen werden?

Beispiel Zwei – die neuen Asteroiden

Was man im Falle von Orcus bis zu einem gewissen Punkt noch nachvollziehen könnte (da seine Bahndaten denen von Pluto gleichen und es auch andere Auffälligkeiten gibt, die eine Grundlagenforschung sinnvoll erscheinen lassen), kann in anderen Fällen nicht gelten. Zum Beispiel, wenn Asteroiden inflationär in die Horoskop-Deutung einfließen. Mittlerweile gibt es ca. 600 000 bekannte Himmelskörper, die sich zwischen Mars und Jupiter bewegen.

Auch hier gilt – gedeutet wird wieder meist nur der Name, es findet sich in den diversen „Nachschlagewerken“ kein einziger Felsbrocken, der nur eine Katalognummer besitzt. Der Name wird auch hier zum Zentrum der Bedeutung, ab und an werden ein paar Beispiele angeführt, am besten im Zusammenhang mit den Horoskopen bekannter Persönlichkeiten.

Ich muss zu meiner Schande gestehen, daß ich dieses Prinzip einmal selbst vor vielen Jahren in einem astrologischen Forum ausprobiert habe, als manche „Foris“ ihre Mitmenschen wieder mit ihren neuesten Erkenntnissen über einen soeben entdeckten „Planeten“ beglückten. Es ging dabei um Ixion (kein Asteroid, sondern ein TNO), der gerade einige Zeit vorher entdeckt wurde. Flugs recherchierte ich ein paar mythologische Hintergründe, holte mir ein paar Beispielcharts, die eindrücklich diesen Hintergrund untermauerten (alle anderen habe ich einfach weggelassen), betrachtete noch ein paar aktuelle Auslösungen und fertig war das Grundgerüst.

Die Reaktionen waren verblüffend, über Nacht stieg ich zum „Ixion-Experten“ auf und es gab erste Anfragen für Beratungen, in denen ausschließlich Ixion Thema sein sollte. sowie die ernst gemeinte Aufforderung, ich solle doch ein Buch darüber schreiben. Niemand stellte Fragen nach dem Ursprung meiner Erkenntnisse, niemand zweifelte sie an.

An dieser Stelle möchte ich aber auch betonen, dass es sehr wohl astrologische Forscher gibt, die diesen Namen verdienen. Als Beispiel seien hier stellvertretend für viele Robert van Heeren und Dieter Koch genannt. Meist sind das Menschen, die sich kaum in die Öffentlichkeit drängen, sondern seit Jahren kontinuierlich Grundlagen erforschen. Mühevolle Arbeit, die nur selten angemessen gewürdigt wird, aber für zukünftige Entwicklungen wichtig und bedeutungsvoll ist.

Während die meisten selbsternannten „Experten“ nur äußerst kreativ im Erfinden von neuen und spektakulären Zuordnungen sind und dies dann als gesichertes, astrologisches Grundwissen im wahrsten Sinne des Wortes verkaufen. Jeder Felsbrocken mit einem bedeutungsschwangeren Namen wird dann angepriesen als Schlüssel zu neuen Geheimnissen, und es fehlt nicht mehr viel, um aus all diesen kleinen Bausteinen ein Orakelsystem zu zimmern, dass den ganzen alten und oft nur störenden astrologischen Hintergrund überflüssig machen würde.

Nehmen wir mal an, ein Mann namens John Fletcher möchte wissen, ob mit seiner neuen Bekanntschaft (sie heißt Heidi) mehr „möglich“ ist. Er möchte mit ihr den Urlaub fahren, und hat sich schon ein zwei Reiseziele überlegt (Paris oder Rom). Und ja, typisch Mann, hat er nur das eine im Kopf, Liebe soll schon dabei sein, aber es geht ihm vorrangig um Erotik und Lust.

Via Asteroiden-Orakel wird jetzt ein Stundenhoroskop mit den Asteroiden John Flechter (Katalognr. 6137), Heidi (2521), Paris (3317), Rom (472), sowie Amor, Eros und Lust, erstellt. Ja, die gibt es allesamt wirklich und können in jedes bessere Astrologieprogramm eingefügt werden. Zum heutigen Zeitpunkt ergäbe das dann folgendes Bild:

Heidi steht im siebten Haus, im Haus der Partnerschaften, schon mal ein großes Plus, zudem steht Heidi auch im Trigon zu Eros. Paris als Reiseziel ist eher mit Vorsicht zu genießen, denn Paris steht in Opposition zu Lust und Eros, die Zwillings-Stellung deutet dabei eher nur ein Smalltalk-Potential an. Rom dagegen steht im Skorpion und im Trigon zu Amor am MC, in der ewigen Stadt könnte aus einem erotischen Abenteuer also auch die große Liebe werden.

Fazit: John und Heidi sollten nach Rom fahren. Und alles wird gut.

Schöne neue Welt

Ich befürchte, dass dieser ironische Ansatz so oder so ähnlich durchaus Wirklichkeit werden könnte. Und man in 20 Jahren kaum noch Astrologen findet, die im Sinne derer arbeiten, die dieses Modell mit wirklichem Leben und Sinn erfüllt haben. Astrologie wird sich verzetteln in tausend neuen Ansätzen und ebenso vielen Schulen, die alle für sich in Anspruch nehmen, die einzig wahre Astrologie zu praktizieren. Im Prinzip wäre das nichts Neues, solche Tendenzen gab es schon immer. Aber die Möglichkeiten, dies jetzt auch mit Hilfe von scheinbaren „Fakten“ wie John Fletcher, Heidi und Schneewittchen zu untermauern, waren noch nie so vielfältig wie heute.

Als Gegenreaktion wird es ein paar Unentwegte geben, die dann noch verbissener am überlieferten „Heiligen Gral“ festhalten und selbst Neptun, Uranus und Pluto wieder aus ihrem Deutungskatalog streichen. Kommende Generationen werden sich ob dieses Schauspiels menschlicher Irrungen und Eitelkeiten nur noch fremdschämend abwenden und nicht die geringste Lust verspüren, Teil dieser obskuren Gemeinschaft zu werden.

Übrig bleiben dann die Astro-TVs und Berater-Hotlines, zumindest solange sie relevante Erträge bringen (siehe auch Die wundersame Welt der Esologen).

EM*Pi*Ri (Leben) = Astrologie?

Gibt es Alternativen zu solch einer Entwicklung? Ja, da aber die Berufsbezeichnung Astrologe bis heute nicht geschützt ist, können solche Alternativen nur von jedem und jeder Einzelnen kommen, die sich diesem Wissen verpflichtet fühlen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Mehrheit derjenigen, die sich länger mit Astrologie beschäftigen, gerne bereit ist, in diesem Sinne auch Verantwortung zu übernehmen. Aber in Zeiten der Beliebigkeit ist die Unsicherheit bei vielen schon so groß geworden, daß kritische Fragen und Auseinandersetzungen eher zu noch mehr Zweifeln, als zu Klarheit führen. Aber ohne eine solche Auseinandersetzung kann keine Gewissheit über die Zuverlässigkeit eines Systems entstehen, viele Fragen bleiben unbeantwortet, selbst was die Grundlagen betrifft.

Vor diesem Hintergrund erscheint es auch völlig unsinnig, einerseits auf die Segnungen der Wissenschaften zurück zu greifen, andererseits mit ihnen generell in einem Dauerdisput zu liegen. Dabei geht es nicht um Anerkennung oder gar Anbiederung, sondern um die simple Tatsache, dass wissenschaftliches Denken immer ein unverzichtbarer Bestandteil der astrologischen Arbeit war und ist. Dass wir heute zum Beispiel mit äußerst genauen Berechnungen arbeiten können, haben wir dem wissenschaftlichen Ansatz von Alois Treindl, dem Gründer von Astrodienst, und einigen anderen zu verdanken ist. Astrologische Arbeit am Computer ist aber ein relativ junges Phänomen, denn in den alten Zeiten, konnten Astrologen nur mit dem Anschein arbeiten, dem sichtbaren Stand der Planeten.

Wer sich davon ein Bild machen möchte, der stelle sich heute einmal in klarer Nacht unter den Sternenhimmel und suche nach Planeten. Mit etwas Glück entdeckt man eine Stunde vor Mitternacht Mars im südwestlichen Teil des Himmels. Saturn, der in der „Nähe“ steht, dürfte dagegen nur sehr schwer ohne Hilfsmittel sichtbar sein. Mehr gibt es nicht an beweglichen Objekten. Dann lasse man den ganzen Rest des Himmels ein paar Stunden auf sich wirken, das Leuchten der vielen tausend Sterne und Galaxien.

Wer in den alten Zeiten nicht sehr viele solcher Nächte draußen verbracht hat, dem kann nicht aufgefallen sein, wie sich Planeten von den anderen Sternen unterscheiden. Und erst nach sehr, sehr vielen solcher Nächte zeigten sich Wiederholungen, die Wiederkehr der Planeten an Orte, die der Astrologe dann mit alten Aufzeichnungen vergleichen konnte. Noch sehr viel später fing man an, Observatorien zu bauen, aus großen Steinen und an besonderen Plätzen. Damit man so die wichtigen Orientierungspunkte des tropischen Zodiak immer wieder finden und verifizieren konnte. Und erst mit den Erkenntnissen eines Johannes Müller (Regiomontanus geb. 1436), eines Johannes Kepler (geb. 1571) und anderen, konnten Ephemeriden erstellt werden, die die zukünftigen Positionen der Wandelsterne halbwegs genau wieder gaben.

All das war mit Anstrengung und Disziplin verbunden, vor allem aber auch mit Geduld. Denn erst im Laufe von Generationen wurde aus einer ersten Idee, einem ersten Eindruck, auch ein Wissen, dass sich immer mehr bestätigte. Und das von nachfolgenden Generationen, auch noch Jahrhunderte und Jahrtausende später, als gesicherte Grundlage angewandt werden konnte.

Heute reicht ein Klick bei Google, eine Info von Wikipedia und ein erschwingliches Astrologie-Programm, um der Welt Minuten später eine neue und bahnbrechende Erkenntnis mitzuteilen. Dass es diese Möglichkeiten gibt, ist wunderbar. Die Frage ist - wie gehen wir verantwortungsvoll damit um?

Zeichen und Symbole

Carl Gustav Jung, der Begründer der analytischen Psychologie, hat sich lange und intensiv mit dem System der Astrologie beschäftigt. Zitat: Ich muß sagen, daß in der Astrologie eines Tages sehr wohl ein gutes Stück Wissens von Ahnungs wegen, das an den Himmel geraten ist, entdeckt werden könnte...". Für Jung bestand ein wichtiger Unterschied zwischen Zeichen und Symbolen. Zeichen weisen nach seiner Auffassung immer auf einen klar abgegrenzten Sachverhalt hin, auf etwas uns bekanntes und konkret fassbares. Symbole dagegen beziehen sich auf archetypische „Seelenbilder“, die mehr umfassen als uns bewusst ist. Diese Archetypen, die einerseits universelle Strukturen unabhängig von Herkunft und Kultur verkörpern, andererseits sich aber beim Einzelnen unterschiedlich äußern können, fand er auch in der Astrologie wieder.

Astrologische Symbole beziehen sich so gesehen immer auf lebendige und dynamische Prozesse innerhalb unserer Erfahrung, sie sind bildhafte Brücken zwischen dem, was wir bewusst erleben und dem was uns unbewusst antreibt. Wenn wir sie zu formelhaften Zeichen degradieren, dann arbeitet nur noch unser Verstand an entsprechenden Deutungen und Interpretationen. Und genau dann wird Astrologie zu einer sinnentleerten „Wissenschaft“, die scheinbare „Fakten“ zusammen zählt und aus diesen Bausteinen ein Gesamtbild formt, das Wirklichkeit nur noch eindimensional und verzerrt wieder gibt.

Das Empfinden für diese "Seelenbilder" mögen die „Alten“ auch durch die Nächte der notwendigen Beobachtungen immer wieder aufgefrischt haben. Uns fehlt diese sinnliche Erfahrung von der Größe des Universums, wenn wir nur auf die Zeichnungen unserer Computerprogramme fixiert sind. Und so schleicht sich schnell Hybris ein, alles was gedacht werden kann, könnte auch eine Wirklichkeit sein. Und ohne das Regulativ der Dauer, ohne kritische Blicke von Dritten auf all diese neuen Ideen, bleiben sie immer, was sie von Anfang an waren: Kopfgeburten, die nur einzelne Details gewichten, aber niemals dem Ganzen und seinen Zusammenhängen gerecht werden können.

Eine Warnung

Häufig suchen wir über das astrologische Modell einfach nur Selbstbestätigung, Dahinter verbirgt sich meist eine große Unsicherheit vermischt Selbstzweifeln, die man mithilfe kosmischer „Wahrheiten“ gerne erträglicher gestalten möchte. Und auf der Suche danach klammert man sich dann sprichwörtlich an den kleinsten Fels.

Sobald man aber tiefer geht und das eigene Geburtsbild als Spiegel der Selbsterkenntnis nutzt, führt die Beschäftigung mit Mars, Venus und Neptun zu einer Aktivierung der entsprechenden Archetypen in uns. Nein, es werden keine obskuren Mächte wachgerufen, aber all das, was in uns lebendig ist, kann plötzlich "auftauchen" und Form und Gestalt annehmen. Sei es in heftigen Empfindungen, außergewöhnlichen Visionen oder ganz konkreten Lebensumständen. Solange wir dies auf der Basis eines festen Fundaments erleben, kann dies durchaus erhellend und Bewusstseins erweiternd sein.

Sobald man aber anfängt einen wilden Cocktail zu kreieren, in dem sich Halb-Wahrheiten mit abstrakten Vorstellungen und lebendigen Archetypen mischen, dann kann es sein, dass die Wächter unserer eigenen Unterwelten zu randalieren beginnen. Nicht um uns zu schaden, sondern um deutlich zu machen, daß es sich keineswegs hier nur um abstrakte Zeichen handelt, wenn wir von Uranus, Pluto und Saturn sprechen. Sondern um Symbole unseres Seins und unseres Erlebens.

Ein leichtfertiger Umgang damit erzeugt in aller Regel nur inneres und äußeres Chaos.

Der angemessene Umgang mit den astrologischen Inhalten ist also nicht nur eine Frage der Ethik und Verantwortung gegenüber Dritten, sondern auch eine Frage der Verantwortung sich selbst gegenüber.

Praktische Arbeit

Da wir heute mit den vielen, modernen Augen der Wissenschaft ins Universum schauen, sollten wir nie vergessen, dass dieser Blick ein anderer ist, als unsere normale Lebenssicht. Ob wir nun mit Teleskopen in den weiten Himmeln nach fernen Objekten suchen, oder mit Mikroskopen die Struktur des Kleinsten noch feiner auffächern und verstehen wollen, unsere eigene Wahrnehmung bleibt was sie ist. Und es bleiben auch die Dinge im Leben wichtig, die es schon immer waren. Wenn astrologische Inhalte nicht erlebbar und erfahrbar sind, dann ist ihr Nutzen allenfalls temporär.

Jeder Transit der klassischen Himmelskörper kann von jedem Menschen bezeugt werden, der den Blick nach innen richtet. Alles was sich dort bewegt, bewegt sich im Rhythmus der Planeten und Sterne. Es handelt sich nie um theoretische, formelhafte Abstraktionen, es sind immer lebendige Erfahrungen, die über dieses System symbolhaft umschrieben werden.

Jeder neue Planet und Himmelskörper, der Einlass in den bisherigen „Olymp“ finden soll, muss also ebenso erfahrbar sein. Ist er das nicht, dann handelt es sich nur um eine Variation, ein kosmisches Ornament, dessen eigentlichen Ausdruck man bereits in einem der klassischen Archetypen finden kann. Diese Zusammenhänge aufzuzeigen, kann ein wichtiger Teil zukünftiger Forschung sein.

Aber bevor sich nicht wirklich zeigt, dass sich hinter einer der „Neuentdeckungen“ ein komplett neuer, seelischer Archetyp verbirgt, der nirgendwo anders ein Zuhause hat, solange sollte an den alten Hierarchien und Zuordnungen nicht gerüttelt werden. Und sie sollten auch nicht verwässert werden, indem man noch einen weiteren Ersatz-Pluto hinzufügt. Und noch einen und noch einen.

Denn selbst nachdem Pluto aus dem Planeten-Olymp gekickt wurde, ist er ja nicht in der Versenkung verschwunden. Im Gegenteil, er wurde zum Vater einer neuen Generation von Himmelskörpern, den Plutoiden. Und vielleicht zeigt sich ja eines Tages, dass hinter Neptun eine andere Sphäre beginnt. Dass es dort womöglich ein zweites Zentrum gibt, ein System im System. Damit entstünden neue Analogien, wäre Raum für interne Verbindungen zwischen den klassischen Planeten und den neuen Himmelskörpern. Vieles ist vorstellbar, vor allem aber, dass dies nicht dazu führen muss, die bewährten Hierarchien und Strukturen außer Kraft zu setzen und einer sinnentleerten Beliebigkeit zu frönen.

Ganz im Gegenteil könnte sich zeigen, wie komplex alles mit allem verbunden ist, ein differenzierteres Verständnis könnte entstehen, in dem doch alles seinen angemessenen Platz hat.

Beispiele

Wie man mit 600 000 Asteroiden umgehen sollte, erschließt sich mir im Moment noch nicht. Sollte es sich tatsächlich „nur“ um Bruchstücke aus aller „Planeten Länder“ handeln, dann wird eine Zuordnung schwierig. Aber womöglich zeigt sich in der Zukunft auch, dass es einen gemeinsamen Ursprung gibt, der dann stellvertretend in Berechnungen einfließen kann.

Andere Asteroiden-Familien (wie zB die Apollo-Asteroiden), die die Bahnen der inneren Planeten kreuzen, könnten eventuell Verbindungen aufzeigen, Erweiterungen, die eher symbolischen Charakter haben und spezifische Eigenschaften der entsprechenden Planeten unterstreichen.

Ähnliches gilt für die Zentauren. Auch sie bewegen sich ja vorrangig zwischen den Planetenbahnen, beschreiben demnach vielleicht auch die fließenden Grenzen zwischen den einzelnen Archetypen, und ihre Eigendynamik (siehe auch Chariklo - die Frau des Heilers).

Neptun bzw. Pluto repräsentieren eine Grenze, die TNOs aus dem Kuipergürtel scheinen einer eigenen, systemischen Spezies anzugehören. Auch hier könnte sich eines Tages ein weiteres Zentrum finden lassen. Diese Zentren müssten nicht zwingenderweise feste Körper sein, als Massezentren würden sich auch kleinste „Black Holes“ oder ähnliche Strukturen anbieten, die selbst heute nur schwer zu entdecken wären.

Und sicher hat auch die Oortsche Wolke, die Heimat der meisten Kometen, noch einige Überraschungen parat, stellvertretend sei hier die Suche nach Tyche genannt. Aber auch jenseits der Grenzen unseres Sonnensystems gibt es außergewöhnliche Objekte, die durchaus einen empirischen Blick wert sind (allen voran unser Galaktisches Zentrum).

Der empirische Blick

Empirie leitet sich vom griechischen empeiria ab. Es geht um Erfahrung oder besser noch – ein Wissen, das aus Erfahrung entsteht. Wenn sich Erfahrungen wiederholen, wenn die eigenen Beobachtungen auch von Dritten bestätigt werden, also übertragbar sind, dann kann man beginnen, von Wissen sprechen.

Wird also zum Beispiel vom Forscher X ein neuer Himmelskörper entdeckt, dann wird er die Positionsdaten an seine Kollegen weiter geben und die werden seine Beobachtung und auch seine Schlüsse entweder bestätigen oder eben nicht. Das ist relativ einfach.

Astrologische Beobachtungen sind aber komplexer. In erster Linie beobachten wir ja das Verhalten und die Erfahrungen einzelner Menschen analog zu den Bewegungen der Planeten. Aber was in dem einen Fall durchaus mit bestimmten Stellungen in Verbindung gebracht werden kann, zeigt sich bei einer anderen Person bisweilen völlig anders. Zwar sind bestimmte Grundthemen ähnlich, aber Umsetzung und Erfahrung können sich unterscheiden, da ja auch fast immer die Anlagen verschieden sind.

Das macht empirische Forschung nicht unbedingt einfach und genau deshalb greifen die meisten statistischen Untersuchungen auch ins Leere. Ein Mars im Steinbock im zehnten Haus unterscheidet sich eben von einem Mars Anfang Widder in Haus Eins. Und zwar beträchtlich. Ersterer kann durchaus als „verkappter“ Saturn missinterpretiert werden, letzterer entspricht vermutlich eher dem, was diesem Archetyp von alters her zugeordnet wird.

Um hier die Spreu vom Weizen zu trennen waren die Beobachtungen von sehr vielen Menschen quer durch die Jahrhunderte und Jahrtausende nötig, damit am Ende ein hierarchisches System entstehen konnte, in dem die komplexe Vielfalt des Lebens und seiner bildhaften Darstellung durch die Astrologie, nicht zu rein beliebigen und willkürlichen Zuordnungen führte.

Allerdings kommt hier ein weiteres Problem hinzu. Da Astrologie vor allem das ungreifbare Wesen der Zeit umschreibt, ihre Dynamik und ihre Eigenschaften, liegt es in der Natur dieses „Forschungsobjekts“, dass es flüchtig ist und sich ständig wandelt. Denn mit „Zeit“ ist eben kein statischer Zustand gemeint, „Zeit“ ist der Begriff für einen Vorgang, der unser Leben dauerhaft beeinflusst. Wir können diesen Prozess Vergänglichkeit nennen, Veränderung oder Wandel, die Grundlage ist immer Bewegung.

Sobald wir beginnen, einzelne Augenblicke dieses Wandels einzufrieren und dabei das dynamische Element ausklammern, betrachten wir nur noch einen isolierten Ausschnitt des Ganzen.

Abhängiges Entstehen

Nehmen wir als Beispiel den „Minutenzeiger“ auf unserem astrologischen Ziffernblatt, den Mond. Da gibt es zum einen den Mond, wie er uns am Himmel erscheint, ausgedrückt über die verschiedenen Mondphasen. Gleichzeitig durchläuft er aber auch die einzelnen Wandlungsabschnitte des Zodiak. Jede Beobachtung zeigt nun, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob ein voller Mond im Zeichen Krebs steht, oder nur ein halber. Ob er zunehmend oder abnehmend ist. Nehmen wir weiterhin an, dass dieser Mond grundsätzlich einen großen Bereich unserer eigenen, persönlichen Empfindungen symbolisiert. Dann müssen wir davon ausgehen (ebenfalls auf Grund von Beobachtungen), dass jeder Mensch eine sehr spezifische und individuelle Art des Fühlens hat. Es gibt zwar bestimmte Grundempfindungen wie zB Ärger, Freude und andere, die bei fast allen Menschen einen ähnlichen Ausdruck haben, also auch unterscheidbar sind. Trotzdem bleibt das Gesamt-Spektrum dieser Gefühle riesengroß.

Möchte ich jetzt den Mond als Symbolträger für bestimmte Bereiche dieses Spektrums deuten, dann kann das nur gelingen, wenn ich alle anderen Komponenten immer mit einbeziehe. Denn auf seiner Reise von Vollmond zu Vollmond und von Widder zu Fische, tritt Mond ja auch in Beziehung zu anderen Planeten. Diese Aspekte verändern wiederum seine spezifischen Erscheinungsformen (und mit Aspekt ist jeder Abstand zu einem anderen Faktor gemeint)

Die Abfolge der beiden Mondzyklen ist also immer gleich, aber bei jedem Zyklus wird es eine Kombination von Aspekten und Beziehungen geben, die sich immer von allen anderen Zyklen unterscheiden. Mit anderen Worten: wenn wir in einem Zyklus bei Halbmond in den Fischen bestimmte Erfahrungen beobachten konnten, kann das im nächsten Zyklus schon wieder etwas anders aussehen, wenn nämlich andere Aspekte hinzukommen.

Und hier kommt jetzt die schlechte Nachricht:

Eigentlich gibt es so gesehen keinen Mond unabhängig von allen anderen Faktoren in einem Geburtsbild oder Ereignis-Chart. Genauso wenig wie es ihn als Himmelskörper geben könnte, ohne die Anziehung der Erde, der Sonne und anderer Faktoren. Der Mond wäre nichts weiter als ein Haufen Steine, die chaotisch durchs Universum treiben. Grundlegende Ordnungs-Strukturen entstehen immer nur durch das Zusammenwirken vieler Faktoren, ändert sich auch nur einer, ändert sich auch die Ordnungs-Struktur als Ganzes. Manchmal mögen die Unterschiede nicht sehr groß sein, aber sie sind da.

Trotzdem – und das ist die gute Nachricht – bleibt Mond immer auch unterscheidbar von der Erde, der Sonne oder den anderen Himmelskörpern. Mond hat spezifische Eigenschaften, auf die man sich beziehen kann. Als stimmiges Bild unserer Empfindungen und Emotionen taugt er aber nur dann, wenn wir ihn eingebettet in das Ganze wahrnehmen und deuten.

Vielleicht zeigt dieses einfache Beispiel, warum die Suche nach „Beweisen“ in der Astrologie so schwierig ist. Was zu manchen Zeiten selbst Statistiker als hochsignifikant bezeichnen würden, kann zu anderen Zeiten kaum noch wahrnehmbar sein. Irgendwann, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, mag dann die Hochsignifikanz wieder auftreten, aber das wird sich meist erst über Jahrhunderte hinweg als deutlicher Rhythmus zeigen, mit dem auch einigermaßen zuverlässig gearbeitet werden kann.

Aber eben nur dann, wenn man die Grundpfeiler dieses Systems nicht willkürlich verwässert. In dem man wahllos neue Faktoren einfügt, ihnen ungeprüfte Bedeutungen zuweist, ohne sie in den Gesamtkontext einzubauen.

Die Zukunft hat bereits begonnen

Eine sinnvolle Integration neuer Elemente wird Zeit benötigen. Zeit um zu beobachten und zu überprüfen. Damit nachfolgende Generationen ihrerseits auf gesicherte Inhalte zurück greifen können, um dann irgendwann in einer fernen Zukunft dem Gesicht der Astrologie ein paar neue Facetten hinzu zu fügen, die der Vielschichtigkeit des Lebens auch gerecht werden.

Aber wir befinden uns historisch gesehen gerade am Anfang dieser Entwicklung. Das mag manche in ihrer Geduld überfordern, aber es ist vor allem eine Chance. Wir können mitgestalten, wir können Teil dieser Entwicklung werden, und neuen Entdeckungen und Methoden gegenüber offen zu sein, ist Teil dieses Prozesses. Wie wir all das in Übereinstimmung mit dem Bewährten und Überprüften bringen, wird aber letztendlich darüber entscheiden, ob Astrologie auch für die Menschen des 22. Jahrhunderts noch eine sinnvolle Lebenshilfe sein kann.

Dieses zukünftige Haus der Astrologie braucht vor allem eins - ein tragfähiges Fundament. Wer das bestehende verändern und erneuern will, muss es zuvor verinnerlicht haben. Damit das Wesentliche hinter all den Symbolen, Analogien und Entsprechungen, auch weiterhin bestimmend bleibt.

Das, was immer nur erfahren, aber nie verstanden werden kann.

Bilder: Mann und Galaxie - By ESO/A. Fitzsimmons (http://www.eso.org/public/images/potw1320a/) [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)]; Observatorium - By ESO/Yuri Beletsky (ybialets at eso.org) [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)]; Panorama - By ESO/H.H. Heyer (http://www.eso.org/public/images/vlt-mw-potw/) [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)]; TNOs - By Lexicon (http://en.wikipedia.org/wiki/File:EightTNOs.png) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], alle via Wikimedia Commons; Zentauren - Eurocommuter (Plotted by a program written by the author) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC-BY-SA-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons; Zeit - By LetsgomusicStyle (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons;

Dienstag, 3. Dezember 2024

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