Das Gespenst der Erlösung
Ein kleiner Lei(d)t-Faden:
Ein Gespenst geht um in Beratungen. Die "Erlösung". Wenn ich als Skorpion-Betonter beispielsweise meine berüchtigte Transformationskraft, statt zu „heben“ manipulierend auf Teufel komm raus einsetze und damit für beträchtliche Angst-Transpirationen im Umfeld sorge, bin ich plötzlich: unerlöst. Sollte der Neptuniker, statt (wie es sich gehört) still im Elfenbeinturm an der Erleuchtung zu basteln, doch lieber gröhlend Trinken bis zum Abwinken (ist einfacher!), hat auch ihn das Unerlöste des Tierkreiszeichens im Griff. Selbiges gilt für uranisch-kindische Störer oder Dauer-Rebellen gegen alles, was Saturnisch daherkommt (und sich wiederum - unerlöst - als chronische Aufschieberitis oder Außen-Blockaden zeigen kann).
Bei allen Anlagen geht man schlicht am liebsten den einfachen, gewohnten Weg. Dann wird es unter Umständen Seitenhiebe vom wohlmeinenden Berater hageln: So geht es nicht. Sieh ein, dass du selbst all das verursachst, projizierst oder sogar verschuldest! Ergebnis: Klient verschreckt, Beratung daneben. Solche esoterischen Ansätze auf eigene oder fremde Beschäftigung mit Astrologie anzuwenden, kostet allerdings nur Zeit, verursacht Traumata und berührt eine „Ethik", die vergißt, vor lauter gutem Willen das Wollen und Können der Betroffenen im Blick zu behalten. Ob meine astrologische Auslegung nun mich selbst oder andere betrifft, wir alle wollen da abgeholt werden, wo wir sind. Nur das kann nämlich helfen.
Aber es steckt ein wahrer Kern darin: Das Prinzip der Pole in allen Ausdrucksformen des Zodiak. Jedes Ding hat mindestens zwei Seiten, auch Analogien in der Astrologie. Ploppt also im Radix oder bei Transiten ein dominantes Prinzip massiv an die Oberfläche, zeigt es häufig zuerst seine negative Seite. Die „unerlöste“ Form, wie sie bei Esoterikern zuhause genannt wird. So platt übernimmt allerdings nur „Astro light“ (analog Cola light), wo eigentlich ein Superlativ der aufkommenden Energieform, die das persönliche Zeitklima prägt, gemeint ist. Wie es eigentlich – spontan und natürlich – nur in Glanzstunden vorkommt – im Alltag dagegen eher gar nicht. Viel bekannter ist jene reflexhaft negative Ausdrucksform der getriggerten Prinzipien. Sie macht oft aufmerksam auf Konflikte und das, was jetzt stört, damit es dann verändert werden kann. Jede „unerlöste“ Form, in der Planeten-Prinzipien sich zeigen, ist also nur ein notwendiger Weckruf. Nichts ist falsch daran.
Veränderung passiert selten über ein knallendes „Es werde Licht!“. Geschweige denn über den Modebegriff der Erlösung, die „Licht-Arbeiter“ als persönliche Verantwortung für alles im Umfeld sehen. Was leicht in Schuldzuschreibungen gipfelt: Ah, du lebst den erlösten Anteil nicht, bitte etwas mehr Arbeit! In der Astrologie geht es aber um Erkenntnis und darum, dass Anlage besser zur Ausübung passt. Damit möglichst wenig dramatische Aufrufe aus dem Außen kommen müssen, um eine neue,notwendige Lebens-Ausrichtung anzuzeigen. Da hat Schuld nichts zu suchen. Die gute Nachricht: Ja, es gibt eher positive und eher negative Formen von Ausdruck beteiligter Energien. Und man kann sie außen oder innen erleben. Darauf gibt es für jeden einen gewissen Einfluß. Hier ein kleiner Kompass, wie man anfangen kann...
Entwicklung passiert immer auf vielen Ebenen. Jedes Zeichen, Haus, jeder Herrscher, sprich: Jedes Prinzip im Zodiak hat eine Bandbreite. Dennoch sind sie spezifisch und abgrenzbar durch ihr ganz eigenes Spektrum. Als Gesamtkunstwerk sind außen- wie Innengeschehnisse lesbar, einzuordnen in den Anlage- oder Ausübungskontext. Man kann sogar zwischen Negativ- und Positiv-Pol bewusst wechseln und so Probleme tatsächlich erleichtern.
Ein erlebtes Beispiel, das zeigt, wie verzaubert astrologische Analogien manchmal wirken können: Als Neptun (im Radix in 12 stark als Synonym für das Verdrängte, Unbewusste, aber auch Spirituelle) in das 4. Haus einer Person (Ursprungs-Familie, Domizil, aber auch Gefühlshaushalt) läuft, kommt es zu mehreren Wasserrohrbrüchen im alten Haus der Familie. Neptun bzeichnet ja unter anderem auch den großen Bereich von Wasser an sich, bis hin zu illusionären Zuständen, suchthaften Opfer-Szenarien, Geheimnissen, Betrug und jeder Diffusität. Auf der positiven Seite kann er auch für seelische Verschmelzung, einen starken Draht zur Wahrheit und „nach oben“ stehen. Passend dazu ist der Betroffene bei so viel auslaufendem Wasser (immer zu spät entdeckt, Neptun = Geheimnis)verwirrt. Unternimmt aber nichts. Als eine Weile danach Neptun widerum den Jungfrau-Pluto im 10. Feld des Radix aus der Opposition berührt, entstehen sich steigernde, chronische Blasen- und Nierenprobleme, die behandlungsresistent und scheinbar „ursachenlos“ sind. Niere-Blase weist auf Venus-Beteiligung hin (Beziehungs-Organe). Sie beherrscht beim Betroffenen ausgerechnet das 12. Haus, das gerade Neptun im Transit zu Pluto einbringt.
Es passiert der fünfte Wasserrohrbruch. Wieder zunächst eine kleine Undichtigkeit, die seit Monaten „versteckt und unbemerkt“ (Neptun) den Boden eines gesamten Zimmers von unten flutet, was zu starkem Schimmel (chronische Auflösung = Neptun) führt. Und Überraschung: Die ndlosen Nierenprobleme enden schlagartig mit der Entdeckung des Vorfalls. Gleichzeitig wird in völlig anderem Zusammenhang ein Erbstreit mit einem Geschwister, das ursprünglich die Wohnung bewohnte und unbewusst (Neptun!) den alten Schaden verursacht hat, beigelegt. Die Botschaft für den Betroffenen ist soweit deutlich: Etwas wird schleichend immer wieder undicht (Neptun), jede Kontrolle (Pluto) löst sich auf – der als Herr des 8. Tierkreisprinzips auch auf Erbe als Analogie hinweist. Zu viel Pluto, Neptun kommt als Gegenmittel und taucht Zwänge hoch.
Zudem steht Venus (Herrin 12) des Betroffenen ausgerechnet in Haus 8. Wert, Geld (Erbe) der anderen. Nicht nur der Wasserschaden wird hier vererbt, sondern es ging bei Streitigkeiten auch um eine alte „Rechnung“, die die Geschwister offen hatten. Der Betroffene „musste“ nach Jahrzehnten in der Ferne zur Mutter in das marode Haus zurückziehen. Er war immer stark mit ihr (ihr Mond in 12) verschmolzen (Neptun) und deshalb früh fort. Das Geschwister dagegen zog wegen der mütterlichen, therapieresistenten Depressionen erst mit fast 50 aus und schaffte damit ungewollt Druck für den anderen, sich wieder zu kümmern. Auf einer weiteren Ebene ging es für ihn um eine Aufhebung (Fische-Neptun) von Anpassung und damit verbundenem Zwang (Jungfrau-Pluto), weil er zuhause erneut die Mutter und ihre Angelegenheiten verregeln und aus der Verwirrung holen sollte (Pluto in 10). Real wurde er zum Organisations-Faktor für den kranken Elternteil (Haus 4). Als die Nierenprobleme nicht dazu führen, dass er sich wieder mehr um sich kümmert, kommt der letztendliche Rohrbruch. Der Betroffene fängt notgedrungen wieder an, sich mit seinen Bedürfnissen und letztlich auch den verdrängten Gefühlen gegenüber dem „illoyalen“ Geschwister auseinanderzusetzen und „muss“ Mutter hintanstehen lassen.
Kleiner Clou: Als das Wasser (Neptun oder das Unbewusste der Abwehr gegen die Anpassung) schließlich wegen Übersättigung tatsächlich aus den Wänden dringt, wird zufällig eine nur halb abgeklemmte Gasleitung hinter einer Schein-Wand (Neptun) entdeckt. So marode, dass sie vor der völligen Undichtigkeit steht, was – Gas ist geruchlos – sonst nicht entdeckt worden wäre. Eine Explosion der Verhältnisse stand an (Venus als Herrin 12 steht in 8, Todesgefahr).
All das spielt im Zimmer des Sohnes des Betroffenen, dessen Radix exakt Sonne-Neptun als Träger des Familien-Verdrängten (Anpassung/Gemeinnützigkeit versus Lösung) aufweist. Die Entdeckung des Schadens passiert, als der Betroffene beginnt, aus Sorge um die Nieren viel Wasser zu trinken und sich zeitgleich mit neptunischen Grenzauflösungen (Skorpion-Neptun im Radix löst Grenzen/Wert der anderen auf, was diese schwächt) zur Mutter beschäftigt. Gleiches wird immer mit Gleichem geheilt.
Dieses demonstrative Beispiel zeigt schön, wie mehrdimensional Planetenprinzipien „funktionieren“. Sie sind wie Lexika, deren Ebenen ausgelesen werden können – und auf jedem Niveau treffend sind. Daraus ergibt sich oft ein regelrechtes Mosaike aus „Wirklichkeit“, die nach dem Zwiebelschalen-Prinzip weitere Schichten von Bedeutung öffnen. Praxis-Tipp: Niemals nie sagen und die Interpretation für zu verstiegen halten. Manchmal stimmt der Ansatz (wie hier bei Neptun Wasser) auf einer sehr direkten Ebene, es kommen aber die eher metaphorischen Deutungen hinzu. All das erzählt oft in allen Ausdrucksformen die zugrundeliegende Geschichte wie ein Puzzle. Das astrologische Analogie-Netz entwickelt dabei häufig einen kaum abweisbaren Zauber.
Cui bono? Wem nützt es? Manchmal kann man selbst zunächst nur mit einzelnen „Übersetzungen“ der Treppenstruktur solcher Analogien etwas anfangen. Dazu kommt, dass jedes Chart speziell „seine“ Sprache spricht, die sich individuell – bei Transiten – in ihrer Bildlichkeit gern wiederholt. Hilfreich ist, bei akuten Übergängen die letzten ähnlichen Transit-Aspekte zu untersuchen. Man kann so herausfinden, welche Bilder, Themen, Protagonisten und unerledigte Angelegenheiten wiederkehren können. Grundsätzlich existiert bei jedem Planeten- oder Zeichen-Prinzip eine Art Bodensatz einerseits und andererseits die höchsten Höhen. Also Ausdrucksformen, die eher angenehm sind, und andere, denen man lieber nicht nachts im Dunkeln begegnet.
Pluto kann ebenso gut der schwarze Hund sein, wie der rettende Engel, ethische Macht oder üblen Zwang bringen. Je nachdem, ob man bewusst in das Thema des Planeten oder Zeichens eintaucht und es freiwillig übernimmt. Saturn wird dann Verantwortung bedeuten, wo er sonst Behinderung bringt, bis Verantwortung übernommen wird. Besser, sie entschieden gleich zu übernehmen. Uranus führt über Abspaltung zur Vogelperspektive, wenn sie nicht freiwillig gewählt wird. Neptun schafft nur dann größte Verwirrung, Diestähle oder Lecks, wenn man sich der eigenen Fluchten, der Sehnsucht oder Notwendigkeit zur Stille nicht stellen möchte. Alles passt aber perfekt zu dem, was Mensch gerade braucht. Hinweise, Ampeln, Wegweiser. Immer umreissen diese Pole reale Spannungsfelder von Archetypen, die überall – innen und außen – leben.
Kennt man das Ausdrucksspektrum der Energien, kann man sie im Alltag viel reibungsloser nutzen, indem man sie bewusst wählt. Sobald die astrologischen „Täter“ (also markante Geburts-Konstellationen oder Transite) dingfest gemacht sind, eröffnet sich das gesamte Feld der individuellen Übersetzungen. Wir alle sind ja chronologisch lebende Wesen und unsere Erfahrungen beziehen sich auch immer auf die Brillen, die wir durch vergangene Erlebnisse aufgesetzt haben. Hier kann die Astrologie unterstützend und erneuernd sein. Zeigt sich innerhalb ihres natürlichen Spielraums nämlich eine spezielle, hochkomplizierte Ausdrucksform der Anlage, ist es nicht dumm, sich zu einer schlichteren zu entschließen (oderumgekehrt).
Im obigen Feuchtigkeits-Beispiel hätte man an jeder beliebigen Stelle einsteigen können, bevor sich das ganze Muster hätte entfalten müssen. Das „heimliche“ Wasser allein sprach für Neptun und Unbewusstes, Haus 4 für Domizilfragen und die Mutter, Nieren-Blase zusätzlich für Venus-Beteiligung, hier in 8, womit der Transit von Neptun über Pluto in 10 eine Doppel-Betonung bekam. Ein guter Berater hätte vor Wertverlusten und „Übernahme“ des Un-eigent-lichen und zuviel Anpassung warnen können, bevor buchstäblich der x-te Wasserschaden eintrat. Beschäftigung mit innerer Auflösung jeder Zwangshaltung (eines sozial bestimmenden und gleichzeitig gezwungenen Pluto) wäre vielleicht auch anders machbar gewesen. Wird schon hier nach verborgenen echten oder symbolischen Erbschaften (dem Schaden im Haus) gesucht, muss und wird er sich nicht mehr derart heftig bemerkbar machen. Das grenzt nicht an Zauberei, sondern ist lediglich ein Muster der Analogie-Prinzipien, wie sie im Leben mit oder ohne Astrologie nun mal vorkommen. Mit ihr versteht man sie nur etwas leichter.
Für einen Überblick ist es nur nötig, den gesamten Komplex der Aussagen, die bei einzelnen zodiakalen Stellungen vorkommen, von A bis Z zu kennen und die sehr einfachen, ersten Ausdrucksformen nicht zu vernachlässigen. Schicksal zeigt sich hier manchmal wie ein Traum, der zwar nicht absolut frei interpretierbar ist, aber mit sich steigernden Zaunpfählen an den Tag kommt. Wer z.B. die sehr schlichte Wasser-Analogie unterschätzt (mehr trinken!), wird die manchmal simplen Lösungen blockieren, die anfangs manchmal beeindruckende Änderungen bewirken.
Eine Erklärung dafür, warum es funktioniert, wie es funktioniert, ist Synchronizität, deren Grundpfeiler von CG Jung in der Diskussion mit Physiker Wolfgang Pauli in ihrer Wichtigkeit erarbeitet wurden. Leider ist das verkürzte Wie oben, so unten inzwischen ein genauso inflationäres Stichwort wie Erlösung. Dahinter steckt das Prinzip des Corpus Hermeticum: Dasjenige, welches unten ist, ist gleich demjenigen, welches oben ist: Und dasjenige, welches oben ist, ist gleich demjenigen, welches unten ist, um zu vollbringen die Wunderwerke eines einzigen Dinges.Oder, aus der Sicht der Alten: Den Göttern, die von den Planeten symbolisiert werden, muss so oder so geopfert werden. Eine bestimmte Mühe bei der Beschäftigung mit dem eigenen Weg lässt sich also nicht vermeiden. Auch nicht, indem man bewusst genau das ins Leben holt, in einer eher angenehmen Ausdrucksform, was nun mal astrologisch angesagt ist.
Die Schwere der Entwicklung, die es zu ihrer Dauerhaftigkeit (Saturn) dann braucht, kann keiner verhindern. Auch die Plötzlichkeit des Lebens, die zur Befreiung führt nicht. Der Nebel des nächsten Schritts, der Probleme auflöst (Neptun), wird sich genauso wenig von allein, sondern nur durch bedingungslose Hingabe an die eigenen Prozesse lichten. Und die Transformation schließlich, die nach Fixierung auf extreme Positionen entsteht (Pluto), kann sich nur entwickeln, sofern man bei den Tiefen bleibt und sie nicht chronisch zu umschiffen versucht. Saturn mag in der Anlage oder im Transit also darauf hinweisen, dass man entweder Blockaden von außen hinnehmen muss oder eben gleich zu lernen beginnt, sich mühevoll selbst zu disziplinieren und realer mit dem eigenen Leben umzugehen. Die Arbeit, die er mitbringt, tut weh. Du kannst wählen, ob du es lieber aktiv angehst, bevor Saturn dir im Außen entgegenkommt. Uranus legt nah, dass entweder der Alltag mit überraschenden, sehr schnellen Wendungen und plötzlichen Beschleunigungen (auch durch Unfälle oder Brüche) daherkommt. Oder man selbst die notwendigen Befreiungen, Objektivierungen bzw. Ausgleichsbewegungen von Gegensätzen (die nicht allein auf individuellen, sondern altruistischen Maßstäben beruhen) vornimmt.
Neptun mag einen mit Einsamkeit oder flüchtigen Umständen quälen, will man nicht selbst gleich beschließen, dass man festgefahrene Situationen auflöst, sich dem widmet, was noch nicht direkt sichtbar ist (also auch, aber nicht nur, spirituellen Zugängen) und überhaupt das Ganze achtet, statt in Details zu schmoren. Analog wird Pluto so lange bohren, bis man begreift: Es wird Zeit, den ewigen Untergrund des existenziellen Dramas zu verlassen und stattdessen entscheidet, jetzt, unbedingt, klar für eine Weile bewusster Katalysator für ethisch fraglose, verbindliche Grundsätze zu sein. Und manchmal, zu Beginn solcher energetisch starker Zeiten, hilft es schon, wenn man einfach mehr trinkt (Empfindung-Wasser), praktisch arbeitet (Materialisierung-Erde), oft unter freiem Himmel ist (Raum-Luft) oder sich warm hält (Energie-Feuer). Überwindung kostet auch der bewusste Einstieg in die eigene Agenda allemal. Aber es ist angenehmer, sich aktiv auf deren akute Energien einzustimmen und sie zu steuern, wenn man sie schon nicht los wird. Um es leichter zu machen. Und vor allem, um möglichst viel daraus für das eigene Drehbuch zu lernen.
Bilder (bearbeitet): Jagadeesh. S (Own work), Amitjain80 (Own work) and Peter Trimming via Wikimedia Commons