Das Geheimnis des Mondknotens (1)
Eine vernünftige Auseinandersetzung mit dem Modell Astrologie wird oft ja auch dadurch erschwert, dass von alters her mit ominösen Punkten und symbolischen Faktoren gearbeitet wird, deren Ursprung man selten bis nie wirklich nachvollziehen kann. Meist liegt es auch daran, dass sich astronomisches und astrologisches Wissen im Laufe der letzten Jahrhunderte immer mehr entkoppelt hat und das System Astrologie heute oft schon völlig losgelöst von realen Hintergründen begriffen wird. Reine Symbolik also und damit sind allen möglichen, obskuren Neuerfindungen und entsprechenden Zuordnungen Tür und Tor geöffnet. Nur – wenn man Astrologie nicht mehr vor dem Hintergrund realer, kosmischer Vorgänge verstehen möchte, dann braucht man auch kein Geburtsbild mehr zu berechnen. Man könnte es auch einfach aus purer Intuition heraus „channeln“ oder ein Kartenorakel mit den entsprechenden Zeichen- und Planeten-Symbolen legen.
Wer lieber bei den Wurzeln bleibt, muss dann aber keineswegs verzweifeln. Denn fast alles, was wir heute als Basics in der Astrologie verwenden, lässt sich mehr oder weniger einfach mit den astronomischen Gegebenheiten in Übereinstimmung bringen. Besser noch, manchmal hilft die reine, „sinnbefreite“ Sicht der Astronomie auch dabei, Hintergrund und Bedeutung mancher Faktoren besser zu verstehen und dadurch auch zu Deutungs-Erweiterungen zu kommen, die den Boden einer nachvollziehbaren Wirklichkeit nicht völlig verlassen.
Der Mondknoten ist ein wunderbares Beispiel.
Damals, als die Welt noch relativ groß war und man für eine Reise von Hamburg nach München einige Wochen oder gar Monate brauchte, waren die Deutungskünste der Astrologen vor allem in Bezug auf praktische Dinge gefragt. Niemand kam auf die Idee, psychologische Gutachten zu erstellen oder Charakterbeschreibungen abzuliefern. Es ging meistens nur ums Überleben und dementsprechend wollten Ratsuchende vorrangig nur wissen, was denn die Zukunft bringen wird. Ein guter Astrologie musste sich also daran messen lassen, ob er in der Lage war, praktischen Rat zu geben, der auch einer Überprüfung stand hielt. Die Vorhersage von Natur- und Wetterphänomenen stand dabei in der Hitliste der Prognosen ganz oben und zu den beeindruckendsten Naturschauspielen gehörten damals wie heute die Sonnen- und Mond-Finsternisse. Diese dann zumindest auf den Tag genau „vorherzusagen“, galt als Gipfel jeder Vorhersage-Kunst.
Allerdings – für Astrologen, die ihr Wissen hauptsächlich aus der unmittelbaren Himmelsbeobachtung bezogen, gab es da ein Problem. Die Finsternisse entstanden eben nicht durch einen ominösen und unsichtbaren Planeten, „Rahu“ oder dem „Drachenkopf“, sondern waren das Ergebnis einer Interaktion der Stellungen von Sonne, Mond und Erde. Nur wenn sie sozusagen auf einer Linie standen, also sowohl in der Höhe wie in der Breite den selben Stand im Zodiak hatten, kam es zu solchen Finsternissen.
Das erklärt auch, weshalb diesen Finsternissen solche Bedeutung beigemessen wurde. Denn wenn schon eine „normale“ Konjunktion zweier wichtiger Planeten große Ereignisse ankündigte, obwohl diese in der Regel nur die gleichen Längengrade teilten, um wie viel „wirkungsvoller“ musste solch eine Konjunktion sein, wenn sie sowohl in der Breite wie in der Höhe übereinstimmte?
Sonnen-Finsternisse können nur zu Neumond, Mond-Finsternisse nur zu Vollmond entstehen. Aber auch nur dann, wenn sich beide Himmelskörper zumindest in der Nähe der Mondknoten-Achse befinden. Aktuell stehen die beiden Knoten auf 25° Löwe (aufsteigend) bzw. 25° Wassermann (absteigend), dementsprechend finden Finsternisse im Moment nur dann statt, wenn der Abstand von Neu- bzw. Vollmond nicht mehr als 17° von dieser Achse entfernt ist.
All das wussten die Astrologen aber schon vor langer, langer Zeit. Und sie waren durchaus in der Lage, aus der Wiederkehr der Finsternisse entsprechende Schlüsse zu ziehen, was Zyklen und deren konkrete Auswirkungen anging. Sie waren so gesehen eben auch hervorragende Wissenschaftler, die durch reine Beobachtung von Naturphänomenen zu bestimmten Erkenntnissen gelangten, genauso wie das auch heute noch Tradition ist in wissenschaftlichen Kreisen. Und trotzdem bietet das Wissen, dass uns die heutige Astronomie bereit stellt, noch völlig andere Ansätze, um das Phänomen des Mondknotens und der anderen Planetenknoten besser zu verstehen.
Denn eigentlich ist der (aufsteigende) Mondknoten nichts anderes, als der Anfangspunkt eines zweiten Bilderkreises, der sich ausschließlich auf die Mondbahn bezieht. Dieser nördliche Knoten symbolisiert den Schnittpunkt zwischen Mondbahn und Ekliptik, die Stelle an der Mond von der südlichen auf die nördliche Seite der Ekliptik wechselt. Die Ekliptik wiederum bildet ja den scheinbaren Sonnenlauf während eines Jahres ab, wenn man möchte, könnte man den Übergang der Sonne von der südlichen auf die nördliche Seite ebenfalls als Knoten bezeichnen. Dieser „aufsteigende Sonnenknoten“ bezeichnet den Beginn unseres Bilderkreises mit dem Startpunkt 0° Widder.
Begreift man diesen Bilderkreis oder Zodiak jetzt generell als eine dynamische Darstellung energetischer Entwicklungen, die sich auf sämtliche Lebens- und Erfahrungsbereiche beziehen lassen, dann würden die beiden „Sonnenknoten“ lediglich zwei wichtige Eckpunkte in diesen Entwicklungen darstellen.
Das lässt sich jetzt im Prinzip auch auf die Mondknoten übertragen. Denn so gesehen markieren auch sie nichts anderes als diese beiden wichtigen, energetischen Punkte innerhalb einer mondhaften Entwicklung. Bildhafter ausgedrückt könnte man über den aufsteigenden Mondknoten den Beginn des Mond-Zodiaks festmachen (0° Widder des Mondes…), gegenüber liegt dann der absteigende Knoten, der quasi die 0° Waage Markierung des Mond-Zodiaks symbolisiert.
Sinn macht das natürlich nur, wenn man die einzelnen Phasen und Zeichen innerhalb der Bilderkreise tatsächlich als generelle Entwicklungsstufen begreift und nicht als feststehende Fixierungen. Denn dann sind sie auch übertragbar, unabhängig davon, aus welchem der „Tier-Kreise“ die Positionen der einzelnen Planeten abgeleitet werden
Ein Beispiel: der Mond selbst stand heute im Sonnenkreis gegen 17:00 h MEZ auf 23°00´ im achten Feld der Entwicklung, im Skorpion. Setzt man den Anfang des Mondkreises jetzt auf die Stellung des aufsteigenden Mondknotens, dann wäre dort die Position von 25°00´ Löwe gleich 0° Widder. In seinem eigenen Entwicklungs-Kreis würde Mond selbst somit im übertragenen Sinne auf 28°00´ im Zwilling stehen. Würde man unseren Zodiak jetzt einfach nur als einen Kreis mit feststehenden, einzigartigen Größen begreifen, dann würde solch eine Übertragung und Umrechnung wenig Sinn machen. Versteht man aber den Zodiak als etwas Dynamisches und seine einzelnen Abschnitte nicht als unabhängige Größen, sondern als abhängige Phasen eines großen Ganzen, die sich gegenseitig bedingen und ergänzen, dann ist zumindest die Überlegung, dieses Prinzip auch auf andere „Kreisbahnen“ von Planeten und Himmelskörpern zu übertragen, nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Die Knoten, egal ob nun Mond- oder Planeten-Knoten, würden dann immer das Prinzip der Ursprungsachse Widder-Waage verkörpern und die Stellungen der Planeten in diesen, neuen Entwicklungs-Kreisen können dann auch mit den entsprechenden Stellungen in den anderen Kreisen abgeglichen werden.
Aus dieser Perspektive stellen die beiden Mondknoten dann sehr konkrete, energetische Inhalte dar, die aber innerhalb der grundlegenden astrologischen Basics verstanden werden können. Die praktische Übertragung und Umsetzung ist dann zwar ein klein wenig aufwendiger, als die bloße symbolische Zuordnung im Sinne von „altem und neuem Karma“, aber schon die ersten Vergleiche zwischen „Sonnen-Radix“ und „Mond-Radix“ zeigen, dass die daraus abzuleitenden Informationen weitaus tiefgehender und umfassender sind, als der übliche Deutungsansatz.
(mehr dazu demnächst…)
Bilder: Ekliptik von User:W!B: based on an image created by Urhixidur: Image:Orbit.png (Image:Orbit.svg) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons