Die Venusfalle(1) - der Feind im Spiegel
Die aktuellen Nachrichten sind voll davon, und ich vermute, dass viele von uns auch im privaten Bereich damit zu kämpfen haben - Feindbilder. Sie sind das aktuelle Zeit-Thema Nummer Eins, stehen ganz oben auf der Liste der momentanen Herausforderungen. Und astrologisch betrachtet ist es kein Zufall, dass ausgerechnet jetzt wieder Blöcke entstehen. Erst im Denken, dann im Empfinden, schließlich wird ein Bild der Welt daraus und schafft Wirklichkeit. Der gute Westen, gegen den bösen Osten, die fremden Eindringlinge gegen die aufrechten Ansässigen, Linke gegen Rechte, Oben gegen Unten, hier die richtigen Ideale, dort die falschen.
Dumm nur, dass das je nach Perspektive immer auch umgekehrt funktioniert, je nach dem, auf welcher Seite der Mauer man steht.
Denn eine Mauer muss immer als erstes gezogen werden, zumindest geistig, in Gedanken und Vorstellungen. Die einzelnen Steine dieser Mauer symbolisieren all die Themen, die wir nicht mit uns selbst in Verbindung bringen können, wollen oder "dürfen". Voraussetzung für das Entstehen von Feindbildern ist so gesehen immer eine Abspaltung von Inhalten, mit denen wir uns nicht identifizieren.
Im Entwicklungskreis des Zodiaks findet diese Abspaltung seinen Ausdruck im Zeichen Waage, im siebten Kreis der Häuser, und natürlich auch bei Venus selbst. Denn egal, ob ich jemanden lieben möchte oder hassen, es braucht dieses Gegenüber, das nicht „Ich“ bin. Das sich scheinbar völlig unabhängig von mir bewegt, das autark handelt, losgelöst von meinen eigenen Aktionen, das einen eigenen Charakter hat, ein eigenes Wesen ist. In ihr oder ihm findet sich dann mein Gegenstück, entweder als Inbegriff all dessen, was ich ablehne, oder als verlockendes Objekt meiner Begierde und Sehnsucht.
Betrachtet man aber das Prinzip des „Sich-Verliebens“ aus einer gewissen Distanz, kommt man kaum umhin festzustellen, dass dies selten mit den "wahren" Eigenschaften des Objekts der eigenen Zuwendung zu tun haben kann. Verlieben findet ja fast immer nur zwischen Menschen statt, die sich kaum oder gar nicht kennen. Der Zauber der Venus entfaltet sich dort am leichtesten, wo der Spielraum für Sehnsüchte und Ängste am Größten ist. Da entscheiden Kleinigkeiten über Empfindungen und Zuordnungen, darüber ob ich dem anderen fasziniert verfalle oder mich angeekelt abwende. Ob dies tatsächlich mit der anderen Person zu tun hat, bleibt zumindest erst mal offen. Solange jedenfalls, bis man sich näher kennen gelernt hat. Und um jemand wirklich zu kennen, braucht es Zeit. Sehr viel Zeit. Und noch mehr Verständnis.
Ein Blick auf die Ausgangslage jeder Beziehung zeigt also schon – das was ich dem anderen zuordne, ist zum allergrößten Teil eine Eigenschöpfung. Ich projiziere, je nach eigener Befindlichkeit, entweder die besten Eigenschaften, die für mich vorstellbar sind, auf den oder die andere. Oder auch das Gegenteil. Hier scheint es tatsächlich nur ein Entweder-Oder zu geben, zumindest in der Anfangsphase einer solchen Entwicklung. Schnappt die „Venus-Falle“ nicht zu, dann ist unser Interesse am Anderen meist gleich Null.
Natürlich muss an dieser Stelle der Einwand kommen, dass Menschen ja auch tatsächlich Dinge tun, manchmal Gutes, manchmal weniger Gutes. Ja, das ist richtig, und es gibt auch keinen Grund, den gesunden Menschenverstand auszuschalten, wenn es um die nüchterne Bewertung von Handlungen anderer geht. Nur - wer auch immer die "breite Masse" im Sinne der eigenen Interessen mobilisieren will, braucht dazu Feindbilder. Menschen müssen „motiviert“ werden, im Extremfall auch ihre Familien zu verlassen, in fremde Länder zu ziehen, um dort unter schlechtesten, äußeren Bedingungen ums Überleben zu kämpfen. Dafür sind Feind-Bilder, die schon alle weiteren Archetypen durchlaufen haben und sich zu schließlich zu Welt-Bildern geformt haben, unabdingbar. Man könnte es auf die einfache Formel bringen: sage mir welches Feindbild du in den Köpfen der Menschen gerade aufbaust, und ich sage dir, wo der nächste Krieg stattfinden soll.
Schafft man es einmal, ein bestimmtes Feindbild zu installieren, dann hat man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Denn jedes Feindbild braucht natürlich auch sein Gegenstück, den guten Helden. Ist das Böse also „dort“ draussen, bei dem oder den Anderen, dann kann das „Gute“ in der Logik des Tierkreises nur genau gegenüber sein. Also bei mir.
Das funktioniert übrigens umgekehrt genauso. Wenn ich einen Helden erschaffe, in Form einer anderen Person, dann sind in aller Regel die Eigenschaften, die ich diesem Helden zuordne, nicht meine. In mir gibt es also ein Defizit, das ich mit dem Bild des Anderen ausfülle. Wenn ich ihm nahe bin, und sei es nur als Teil einer Fangemeinde, eines Kultes oder einer Bewegung, dann wird dieses Defizit ausgeglichen. Der Held selbst mag nun durchaus selbst positive Eigenschaften haben, zum Helden kann er aber nur durch mich werden – durch meine Vorstellungskraft, durch meine Fähigkeit alles Gute auf ihn zu projizieren, in und an ihm wahrzunehmen.
Woran erkennt man jetzt aber den Unterschied zwischen einem Feindbild oder einer Heldenverehrung, und der realen Wahrnehmung von Eigenschaften anderer? In dem man sich als erstes einfachen Fragen stellt. Zum Beispiel, ob man diese Eigenschaften auch bei sich selbst finden könnte, ob man auch einen inneren Bezug zu den abgelehnten Themen herstellen kann. Wo im eigenen Leben finden sich diese wieder? Wenn es statt nüchterner Beurteilung und Analyse nur aufwallende Ablehnung gibt und man einen Zusammenhang entrüstet ablehnt, sitzt man in aller Regel einem Feindbild auf.
Ein Beispiel: Töten und Morden finden fast alle Menschen schlimm und verabscheuungswürdig, und die meisten Menschen werden für sich beanspruchen, niemals getötet zu haben (außer vielleicht mal eine lästige Mücke...). Wenn mir dann mein neuer Nachbar mitteilt, dass er in einem Schlachthof arbeitet, werden sich meine Sympathien für ihn wahrscheinlich in Grenzen halten. Es sei denn, mir würde beim Verzehren meines Mittagsschnitzels der Gedanke kommen, dass ich durch meine „Fleischeslust“ ja im weitesten Sinne der Auftragsgeber für diesen barbarischen Akt des Abschlachtens bin. Das quasi stillschweigend und unbewusst subventioniere. Mein neuer Nachbar führt also nur aus, wozu ich vermutlich gar nicht im Stande wäre und ermöglicht mir dadurch einen gewissen Luxus. Ich kann Fleisch essen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, ohne in die verängstigten Augen eines Kalbs zu blicken, kurz bevor ich ihm die Halsschlagader durchtrenne.
Diese Erkenntnis über meine Rolle hätte dann auch Konsequenzen. Entweder begegne ich jedem „Tiermörder“ in Zukunft mit Respekt und Hochachtung und bin ihm sogar dankbar. Oder ich werde Vegetarier, um zumindest meinen Anteil an dem Geschehen zu minimieren. Würden das nun alle tun, die Tiermörder als böse Menschen sehen und ihre Handlungen verurteilen, wäre unser Metzger bald arbeitslos und müsste sich eine neue Aufgabe suchen. Auf der Suche nach der eigenen Verantwortlichkeit hätte man damit das eigentliche Problem aus der Welt geschaffen und gleichzeitig dem ursprünglichen Feindbild jede Grundlage entzogen.
Bleibt man dagegen einfach an diesem Feindbild kleben, ohne die eigene Rolle zu hinterfragen, ändert sich in aller Regel nichts. Man stopft weiter vorbewusst und abgestumpft, Fleischberge in sich hinein, um dann bei Betrachten einer Doku auf ARTE das Leiden des Schlachtviehs zu beweinen. Nicht ohne den bösen Metzgern die Pest an den Hals zu wünschen. Feindbilder sind reine Gedankenkonstrukte, die einer nüchternen Überprüfung nie standhalten. Ihre Existenz verhindert fast immer jede Veränderung des eigentlichen Themenbereichs. Dadurch entstehen immer größere Spannungen, immer größerer Druck, der sich dann früher oder später entladen muss. Meist durch Handlungen und Aktionen, die destruktiv und sinnlos sind.
Die Grundlage ist immer die Bereitschaft jedes Einzelnen, alles Unangenehme, Fremde und Bedrohliche abzuspalten und anderen zu zuordnen. Seinen Anfang findet dies also im geistigen Schöpfungsbereich der Waage. Aber das ist eben nur der Anfang. Hier wird nur die Richtung vorgegeben, hier besteht aber auch immer die Möglichkeit, ein ergänzendes oder ausgleichendes Prinzip zu finden, um sich selbst aus dieser Venus-Falle zu befreien.
Hat man aber über eine gewisse Zeit ein Feindbild genährt (funktioniert am besten über andauernde Wiederholungen, als vorgestellte oder tatsächliche Bilder - die einstürzenden Türme des WTC in Verbindung mit den Worten Islam und Terror sind ein wunderbares Beispiel dafür), kommt als nächstes die emotionale Komponente hinzu. Jetzt frisst sich ein entsprechendes Gefühl fest, der Fokus wird starr und starrer, bis hin zu einer absoluten Ausschließlichkeit und Unbeweglichkeit. Was vorher nur ein geistiges Abbild war, wird jetzt zu einem umfassenden Empfinden, aus dessen Umklammerung man sich nicht mehr lösen kann.
Entweder also verzehrt man sich vor Sehnsucht und Liebe, oder windet sich vor Abscheu und Hass. Je nachdem welche Richtung man zuvor in der Waage oder im siebten Haus eingeschlagen hat. Hier kommt der Punkt der Unerträglichkeit, jetzt wird das Ganze richtig unappetitlich. Wir befinden uns in Pluto´s Hoheitsgebiet, dem Stirb und Werde jeder Beziehung. Spätestens beim Benutzen einer gemeinsamen Toilette, bei der einer der Liebenden vergessen hat, nach dem großen Geschäft zu spülen, sind nicht nur die süßlichen Waage-Düfte verschwunden, die das ganze Szenario bis dahin umwaberten. Jetzt wird das Objekt der Begierde von Tag zu Tag glanzloser und in vielen Fällen aus dem Helden oder Engel meiner Träume, der Dämon oder die Hexe meiner Albträume. Plötzlich wird alles wieder fremd, die Abspaltung fordert ihren Preis und der ist hoch. Verlangt ist nichts anderes als das Eingeständnis, dass die großartige Liebe des Anfangs nur ein gewaltiger Egotrip war. Man hat den anderen nur auf ein Podest gehoben, damit er oder sie endlich einmal alle eigenen Erwartungen erfüllt. Und wenn wir Menschen eines nicht verzeihen können, dann ist es genau das – wenn jemand unsere Erwartungen oder Hoffnungen enttäuscht.
Hat man es aber mit einem Feindbild zu tun, dann walten jetzt rohe skorpionische Kräfte. Damit das Bild eine emotionale Bodenhaftung bekommt, müssen Gefühle und Empfindungen aus dem eigenen Erfahrungsbereich zugeordnet werden. Bestens geeignet sind verdrängte Kindheitstraumata, die den Kampf mit dem veräußerten Dämon zu einer ganz persönlichen Angelegenheit machen. Unsere selektive Wahrnehmung lässt dann Inhalte und Erscheinungen so miteinander verschmelzen, dass schon das Hören des Namens unseres Feindes oder das Betrachten seines Bildes tiefste abwehrende Empfindungen wie Ekel, Wut und Hass hervor rufen.
Und wenn geschickte Propagandisten erstmal ganze Nationen an diesen Punkt gebracht haben, dann ist der Durchbruch geschafft. Ab jetzt braucht es nicht einmal mehr Propaganda, man solidarisiert sich auf einer archaischen Gefühlsebene, wird Teil eines Kollektivs der Gewaltbereitschaft. Der alte Herrscher des Skorpions ist Mars mit seinem zweiten Gesicht. Und es ist dieser Teil, der Menschen in sinnlose Kriege ziehen lässt, um Tod und Verderben in die Welt zu bringen. Das manifeste Böse muss besiegt und ein für allemal aus der Welt verbannt werden. Dass die Welt dabei selbst in aller Regel mit untergeht, wird billigend in Kauf genommen. Denn nichts ist schrecklicher als dem eigenen Hass gegen das böse und fremde Andersartige stand zu halten. Ihm nicht nachzugeben, ihn nicht loszulassen auf und in die Welt, wenn er denn einmal entstanden ist. Hier scheiden sich dann im wahrsten Sinne die Geister. Diejenigen, die Mars als Führer wählen, landen in einem Krieg, der schließlich auch all das zerstört, wofür man glaubte zu kämpfen. Es ist der untere Abzweig, und er führt wieder zurück zum Anfang des Spielfeldes. Der Krieg als Vater aller Dinge, die Mutter aller Schlachten, stellt jede Entwicklung wieder auf Null. Und mit dem Bewusstseins-Status einer Amöbe beginnt das Spiel der Schöpfung wieder von Neuem.
Aber es gibt eine Kraft, die dem widerstehen kann. Es ist Pluto selbst, die höhere Oktave des Skorpions. "Mensch" kann sich den eigenen Höllenwelten stellen, und erkennen, dass auch sie nur Teil des eigenen, selbst erschaffenen Universums sind. Dies läutet dann eine der schlimmsten Zeiten im bewussten Leben eines Menschen ein. Es ist die Zeit der Läuterung und Transformation. Es ist die Zeit, in der Jesus 40 Tage und Nächte im Glutofen einer Wüste ohne Nahrung verbracht hat, um schließlich den wahren Teufel zu erkennen und ihm dadurch alle Macht nahm. Die Zeit, in der sich Buddha den Dämonenscharen Maras stellte und schliesslich all ihre Waffen in Blumen und Regenbogenlichter verwandelte. Es ist die Zeit, in der wir ohnmächtig im Höllenfeuer unserer eigenen Feindbilder schmoren, ohne sie weiter bekämpfen zu können. Und auch die Zeit, in der wir machtlos zusehen müssen, wie alles was uns lieb und teuer geworden ist, im selben Feuer verbrennt.
Pluto-Skorpion als Sinnbild einer Transformation, die zutiefst heldenhaft und menschlich ist. Aber eben nichts Übermenschliches verlangt. Es ist eine Aufgabe, die sich uns fast jeden Tag aufs Neue stellt, bei der das Scheitern zum wichtigsten Teil des Gelingens wird.
(hier geht es zum zweiten Teil : Die Venusfalle (2) - hinter dem Spiegel)
Bilder: Buddha+Mara - by Hintha (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
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